Bahnverkehr: VIV-„Zwischenruf“ … zum Bahnverkehr an die Ostsee, aus VIV

25.08.2023

https://www.lok-report.de/news/deutschland/aus-den-laendern/item/43462-berlin-viv-zwischenruf-zum-bahnverkehr-an-die-ostsee.html

Der „Zwischenruf“ war im Entwurf fertig und dann kam die Meldung u.a. im NDR: „Land bestellt Zusatz-Züge zwischen Berlin und #Stralsund“ Bereits ab diesem Samstag sollen zwei #Zusatzzüge eingesetzt werden. Dazu später mehr.

Der Sommer kommt immer wieder überraschend

Für manche kommt Jahr für Jahr Weihnachten überraschend (übrigens, nur noch vier Monate), nein, auch der Sommer und damit volle Autobahnen und Züge in Richtung #Ostsee sind jedes Jahr absolut unerwartet. Mag sein, dass es medial im nachrichtenarmen „Sommerloch“ noch ein wenig aufgepumpt wird. Wenn aber dann noch „die Bahn“ in #Gesundbrunnen ohne Ankündigung einfach durchfährt, ist Empörung vorprogrammiert.

Und so hat diese Geschichte doch einen ernsten, grundsätzlichen Kern:

Wie will man, Deutschlandticket hin oder her, die Leute „aus den Autos“ holen, Stichwort #Verkehrswende, wenn das Angebot nicht halbwegs komfortabel, einfach und schnell ist? Attribute, die man dem Auto zuschreibt. Und selbst wenn man auf der A11/A19/A20/A24 im Stau steht, ist das für viele noch immer angenehmer als im vollen #Regio einen #Stehplatz gegenüber dem WC oder einen Sitzplatz auf der Treppe zu ergattern.

Aufgabenträger bestellen Nahverkehr

Sie wissen: #Aufgabenträger bestellen #Nahverkehr. Für den #Ostseeverkehr sind das drei Bundesländer (Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern MVP) und drei Aufgabenträger (#VBB, #VMV, VVW). Die Bestellung definiert das spätere Angebot: Linien, Takte, Personal, Fahrzeuge. In einem Ausschreibungsverfahren bekommt der Gewinner in der Regel für zwölf Jahre den Zuschlag. Er weiß also bereits bei der Ausschreibung, mit welchen Ressourcen (Betriebsmittel, Personal, Kapitalbedarf…) er zu kalkulieren hat.

Nun könnte in einer Ausschreibung aber auch stehen: Am Wochenende sind die Züge x, y und z mit doppelter Kapazität bereitzustellen oder/und die Züge a, b und c verkehren nur „5 bis 7“. Das wären Kapazitäten, die am Dienstagnachmittag oder an einem trüben November-Wochenende nicht gebraucht werden, aber Geld kosten. Würden diese Leistungen ausgeschrieben, würden sie auch angeboten. Dann aber ist das #Ausschreibungsergebnis für den Aufgabenträger deutlich teurer, weil kapitalintensive #Betriebsmittel einfach lange Zeiten herrumstehen. Der Auftragnehmer hat natürlich auch keinen wirtschaftlichen Anreiz, diese (teuren) Kapazitäten bereitzustellen.

Und unter anderem so kommt es, „dass die Bahn zu doof ist, einen Waggon anzuhängen“.

Die Fahrzeuge

Die Fahrzeuge werden von den Aufgabenträgern zwar nicht typgenau, aber doch sehr konkret beschrieben. In der Ausschreibung werden also die Kapazität der Züge (Länge, Bestuhlung, Mehrzweckbereiche etc.) und ihre Merkmale sehr genau formuliert – bis hin zu Steckdosen und Monitoren. Aschenbecher gibt es ja nicht mehr … Ebenso wird festgelegt, ob und wenn ja, in welchen Zügen Begleitpersonal mitfahren soll.

Für Aufgabenträger ist die Verlockung groß: #Neufahrzeuge! Was dann zum „#Stillstandsmanagement“ (heißt wirklich so) in #Mukran, #Leipzig-Engelsdorf oder sonst wo führt, wo zuweilen Fahrzeuge stehen, die bei weitem nicht die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer erreicht haben. #Ausschreibungsopfer sozusagen. An dieser Stelle ist der VBB mit dem Netz „Elbe-Elster“ ausdrücklich zu loben: Re-Design-Fahrzeuge waren zugelassen und DB Regio hat mit solchen auch gewonnen.

Tja, sagen Eingeweihte, dann nutzen wir eben das „Stillstands-“ und machen daraus ein „Bewegungsmanagement“. Nur: die Fahrzeuge haben meistens abgelaufenen Fristen, zuweilen ohne als heute notwendig erachtete Komfortmerkmale (Klimaanlage) und ob Doppelstockwagen aus den Neunzigern IT-technisch zu den heutigen Fahrzeugen passen, wäre auch noch zu klären. Bliebe also noch der bei Fans beliebte „Altwagenzug mit ebensolcher Lokomotive“ – aber auch der müsste erst flottgemacht und dann unterhalten werden. Beides kostet. DB REGIO hat da offenbar kein wirtschaftliches Interesse, aber auch flexible, kleine Anbieter wie TRI, WFL & Co. sehen für sich kein Potential, denn sonst würde es ja angeboten.

Das Personal

Auf Usedom wird der Bahnverkehr am frühen Abend eingestellt: keine #Fahrdienstleiter (neudeutsch: #Zugsteuerer). In anderen Regionen ein ähnliches Bild. Gerne auch: „Kurzfristiger #Personalausfall“ und „Verspätetes Personal aus vorheriger Fahrt“ heißt es dann am Bahnsteig oder den Auskunftsmedien.

Die Infrastruktur

Eigentlich ist dazu alles gesagt. In einer bestimmten Phase wurde Infrastruktur auf ein definiertes, offenbar als statisch angesehenes, Betriebsprogramm „optimiert“. #Überholungsgleise, Ausbau von Weichen, verkürzte #Bahnsteiglängen, #Blockabstände – die Fachleute unter Ihnen wissen es besser als der Autor. Dies rächt sich nun und schränkt die #Flexibilität ein. Lehre für heute („#Deutschlandtakt“): Reserven mitdenken! Auch wenn es vermeintlich „teurer“ wird. Merke: Investitionen sind kein Konsum; bilanziell ist das sog. Anlagevermögen.

Der #Fernverkehr

Wir haben jetzt keine genauen Fahrplanstatistiken studiert, aber der wohl richtige Eindruck ist, dass auf der Stralsunder Strecke sukzessive #Fernverkehrskapazitäten aufgebaut wurden. Kritiker monieren, dass diese unzu- verlässig seien, da sie häufig Verlängerungen regulärer Fernverkehrsleistungen darstellten und im Falle von Verspätungen als Erstes wegfallen würden. Auf der Strecke nach #Rostock hat die Deutsche Bahn mit der IC-Linie 17 (Dresden-Berlin-Rostock/Warnemünde) ein zweistündliches Angebot neu etabliert, das mit attraktiven Fahrzeugen bedient wird.

Es wird also versucht, parallel zum #Regionalverkehr ein eigenwirtschaftliches Angebot aufzubauen, das für sehr #preissensible Kunden vermutlich weniger attraktiv ist. Man muss aber der DB zugutehalten: ein #FLIXTRAIN wurde bis dato weder auf der Strecke nach Stralsund noch auf der nach Rostock je gesehen. Woran es wohl liegt?

Mecklenburg-Vorpommern

Die #Schienenverkehrspolitik von MVP ist im negativen Sinne legendär. Fachleute und interessierte Laien kennen den Ausdruck des „#Pegelnotstandsgebiets“ – benannt nach einem früheren Verkehrsminister, der heute für ein anderes Ressort Verantwortung trägt.

Nach Medienberichten prescht nun der aktuelle Verkehrsminister Meyer hervor und bestellt ab 26.08.2023 zwei Zusatzzüge Berlin-Stralsund. 2024 sollten dann weitere Züge Berlin-Rostock, aber auch nach Ostseebad #Binz bestellt werden. Schön, wenn es so käme.

MVP müsste jedes Interesse haben, attraktive #Schienenkapazitäten bereitzustellen, denn wer sich in den Sommermonaten auf #Rügen, auf #Usedom oder der Halbinsel #Fischland-Darß-Zingst die Automassen anschaut, kann eigentlich zu keinem anderen Ergebnis kommen. Wir jedenfalls sind gespannt wie es mit der #Reaktivierung der Darssbahn sowie der Anbindung Usedoms via Ducherow und Karnin weitergeht.

Dazu kommt: Für Autoreisende nach Usedom wird die Strecke via #Polen zunehmend attraktiv: Schnellstraßen und der Tunnel zwischen #Wollin und Usedom schaffen beste Voraussetzungen für weiteren #Autoverkehr auf Usedom.

Die einfache, schnelle Lösung?

Gibt es nicht!

Es bleibt also nur eines: der #verkehrspolitische #Wille, die Dinge zu ändern. Und Wählende, die diesem Willen Ausdruck verleihen. In Zeiten wie diesen kein leichtes Unterfangen.

Pressemeldung VIV e.V. – Die Verkehrserklärer!