barrierefrei + Schiffsverkehr: Nachfrage zur Schriftlichen Anfrage 17/18 692: Einrichtung und Betrieb einer barrierefreien Spreefähre in Friedrichshagen (Bereich Spreetunnel), aus Senat

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Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre
Schriftliche Anfrage wie folgt:
Frage 1: Gibt es eine konkrete #Bedarfserhebung für
die von der „Initiative #Spreefähre #Friedrichshagen“ geforderte
Fährverbindung am #Spreetunnel? Wenn nein, aus
welchen Erkenntnissen leitet der Senat seine Einschätzung
ab, dass es einen zu geringen Bedarf für diese Fähre
gebe?
Frage 4: Wurde von der Senatsverwaltung eine detaillierte
#Wirtschaftlichkeitsuntersuchung unter Einbeziehung
von #Fahrgastprognosen und erwarteten Kosten durchgeführt?
Wenn ja, mit welchem Ergebnis? Wenn nein, woraus
ergibt sich die Einschätzung, dass die Fähre nicht
wirtschaftlich betrieben werden könne?
Antwort zu 1. und 4.: Eine konkrete Bedarfserhebung
oder Wirtschaftlichkeitsuntersuchung für die Fährverbindung
Friedrichshagen ist nicht erstellt worden. Dafür
wurden in der Antwort auf die Schriftliche Anfrage
17/18692 bereits ausführlich die Gründe sowie die zuvor
vorgenommenen Abschätzungen erläutert. Im Wesentlichen
waren und sind folgende Erkenntnisse maßgeblich:
 Eine Fährverbindung an dieser Stelle ist keine
Aufgabe der Daseinsvorsorge im öffentlichen Personennahverkehr
(ÖPNV), wie bereits in der Antwort auf die
Schriftlichen Anfrage 17/18692 ausführlich erläutert
wurde. Alle Ziele rund um den Müggelsee sind in angemessener
Zeit entsprechend der Vorgaben des Nahverkehrsplans
mit dem heute vorhandenen ÖPNV-Angebot
in guter Qualität und barrierefrei erreichbar. Damit besteht
für die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und
Umwelt kein Erfordernis für entsprechende weitere Untersuchungen
z.B. zum Bedarf oder zur Wirtschaftlichkeit
einer Fährverbindung.
 Eine exakte Bedarfserhebung für ein noch nicht
bestehendes und kostenpflichtiges Verkehrsangebot einer
Fährverbindung bei gleichzeitig vorhandener und weiter
für die meisten potenziellen Fahrgäste kostenlos und
zeitlich uneingeschränkt frei nutzbarer Alternative des
Spreetunnels erscheint zudem äußerst schwierig. Damit
besteht auch kaum eine exakte Basis für eine darauf aufbauende
detaillierte Wirtschaftlichkeitsuntersuchung.
 Angesichts der Charakteristik eines Fährbetriebs
mit typischerweise entstehenden Wartezeiten von bis zu
20 Minuten ist davon auszugehen, dass potenzielle Fahrgäste,
bei denen nicht wie bei Rollstuhlfahrerinnen und –
fahrern eine Nutzung des Tunnels ausgeschlossen ist, die
Fähre nur eingeschränkt nutzen werden, da sie bei Tunnelnutzung
die Wartezeiten vermeiden können. Aus dem
heutigen Anteil von Nutzern mit Fahrrädern, Kinderwagen
etc. oder körperlichen Einschränkungen, die eine
Tunnelnutzung zwar erschweren, aber nicht unmöglich
machen, ist eine brauchbare Prognose daher ebenfalls
nicht direkt ableitbar. Der Anteil solcher Nutzer an der
Gesamtheit aller Tunnelnutzer ist zudem nicht bekannt.
 Aufgrund der in Form des Spreetunnels vorhandenen
und für die meisten potenziellen Fahrgäste kostenlos
und zeitlich uneingeschränkt frei nutzbaren Alternative
lässt sich jedoch qualitativ eindeutig abschätzen, dass
die Wirtschaftlichkeit einer parallelen Fährverbindung
schlechter ausfällt, als bei vergleichbaren Fährverbindungen
ohne parallele Alternativangebote.
Frage 2: Welchen Finanzierungsbedarf sieht der Senat
für diesen konkreten Fährabschnitt am Spreetunnel?
Antwort zu 2.: Eine Finanzierung im Rahmen des bestehenden
Fährvertrags der Berliner Verkehrsbetriebe
(BVG) ist nicht möglich, da dieser nicht um den erforderlichen
Leistungsumfang erweitert werden kann. Das Fährschiff
der nach Inbetriebnahme der Minna-TodenhagenBrücke
entfallenden Fähre F11 ist im Besitz des Betreibers
und steht nicht für eine Verlagerung auf andere Fährlinien
zur Verfügung. Es wäre daher eine Neuausschreibung
der Fährleistungen einschließlich der Beschaffung
einer Fähre erforderlich. Auf Basis der 2012 erfolgten
Neuvergabe der Fährleistungen durch die BVG an die
Weiße Flotte Stralsund geht der Senat davon aus, dass
jährliche Kosten im deutlichen sechsstelligen Bereich zu
erwarten sind. Die Saisonfähren F21 und F23 erfordern
derzeit jährliche Bestellkosten von je ca. 110.000 bis
120.000 € im heutigen Saisonbetrieb, alle Elektrofähren
entlang der Spree (F11, F12, F21 und F23) erfordern rund
800.000 €. Die in der Vergabe erzielten Kostensätze sind
jedoch eine Mischkalkulation, die den teilweise saisonal
beschränkten Betrieb berücksichtigt, die Saisonfähren
werden von den Ganzjahresfähren damit in gewissen
Umfang mitfinanziert. Bei Einzelvergabe einer ausschließlich
in der Sommersaison bedienten Fährleistung
wären daher merkbar höhere Kosten als bei den Fähren
F21 oder F23 zu erwarten. Hinzu kommen die erforderlichen
Investitionskosten für einen oder zwei neue Anleger.
Frage 3: Welche Wirtschaftlichkeit erreichen die bestehenden
Fähren im Land Berlin?
Antwort zu 3.: Die im Auftrag der BVG betriebenen
Fähren wären alleine aus Fährgelderlösen und ohne öffentliche
Co-Finanzierung nicht zu betreiben. Welche
Wirtschaftlichkeit die nicht als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge
betriebenen und damit nicht co-finanzierten
Fähren aufweisen, wie bspw. die Fährverbindungen zur
Pfaueninsel und zur Schulfarm Scharfenberg oder die
Autofähre zwischen Hakenfelde und Tegelort, ist dem
Senat nicht bekannt.
Berlin, den 26. August 2016
In Vertretung
R. L ü s c h e r
…………………………..
Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt
(Eingang beim Abgeordnetenhaus am 31. Aug. 2016)

Schiffsverkehr + barrierefrei: Einrichtung und Betrieb einer behindertengerechten Spreefähre im Bereich des Spreetunnels in Friedrichshagen, aus Senat

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Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre
Schriftliche Anfrage wie folgt:
Frage 1: Aus welchen gesicherten Erkenntnissen leitet
die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz
die im Schriftverkehr mit der „Initiative #Spreefähre
#Friedrichshagen“ die Aussage ab, dass ein eher geringer
Bedarf für die Fährverbindung besteht? Gibt es eine #Bedarfserhebung?
Wenn ja, wo ist diese einzusehen?
Frage 2: Von welchem #Finanzierungsvolumen für
welche technischen und betrieblichen Erfordernisse der
Fährverbindung geht die Senatsverwaltung aus?
Frage 3: Warum soll diese gewünschte Fährverbindung
teurer sein als vergleichbare Fährverbindungen?
Frage 4: Gibt es eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung
zu der gewünschten Fähre bzw. mit welchen belastbaren
Werten zu den Investitionen für die erforderliche Infrastruktur
und das Fährschiff sowie zu den Betriebskosten
im Verhältnis zu den erwarteten Einnahmen begründet die
Senatsverwaltung die behauptete Unwirtschaftlichkeit der
Fährverbindung? Welche Wirtschaftlichkeit erreichen die
bestehenden Fähren im Land Berlin?
Frage 5: Ist der Senat bereit, bei der Fortschreibung
des Nahverkehrsplans die Realisierbarkeit der barrierefreien
Fährverbindung, gerade wegen des Aspekts der
steigenden Anzahl von Menschen mit Mobilitätseinschränkungen,
die nicht den Spreetunnel nutzen können,
und wegen des wahrscheinlichen Wegfalls der Fähre F11,
nach ÖPNV-Gesetz §2 Abs. 8 erneut ernsthaft zu prüfen?
Antwort zu Frage 1- 5: Die seit längerem engagiert
vorgetragene Forderung nach einer barrierefreien Querungsmöglichkeit
der Spree im Bereich des Fußgängertunnels
in Friedrichshagen ist erst zu einer Forderung
nach einer Fährverbindung im Rahmen des ÖPNV1 ge-
1 Öffentlicher Personennahverkehr
worden, nachdem sich die Ideen für Aufzüge bzw. eine
Brücke aus finanziellen und technischen Gründen als
nicht durchführbar herausgestellt haben. Die dann folgenden,
vielfältigen Vorschläge, wie eine attraktive Ausflugslinie
mit einem Schiff u.a. in Kombination z.B. der F23
über den gesamten Müggelsee und Umgebung gestaltet
werden könnte, zeigten ebenfalls, dass es bei der diskutierten
Frage nicht primär um die Erfüllung der Aufgaben
des ÖPNV geht, sondern um das Finden einer Finanzierungsmöglichkeit,
um damit einen beliebten Ausflugsweg
barrierefrei und damit auch gezielt touristisch attraktiver
zu gestalten.
Es ist jedoch weder gesetzlicher Auftrag des ÖPNV
und des Aufgabenträgers, touristisch attraktive Angebote
zu schaffen oder zu jeder vorhandenen, aber nicht barrierefreien
Wegeverknüpfung (ob Tunnel oder z.B. auch
Brücke mit Stufen) ein parallel verkehrendes, barrierefreies
ÖPNV-Angebot zu bestellen. Dies ergibt sich auch
nicht aus der Aufgabe der Daseinsvorsorge des Landes
Berlin, die sich keineswegs so interpretieren lässt, dass sie
den Aufgabenträger für den ÖPNV automatisch zur Bestellung
jeglicher denkbaren, zusätzlichen Verbindung im
Berliner ÖPNV-Netz verpflichtet.
Unstreitig gehört es zur Sicherung der Daseinsvorsorge
auch, die Verbindung von Wohn- und Erholungsgebieten
sicher zu stellen. Dieses ist im konkreten Fall des
Erholungsgebietes Kämmereiheide aber bereits durch das
vorhandene ÖPNV-Angebot mit 3 Buslinien (165, 269,
X69) gesichert. Die Straßenbahnlinien 27 und 67 enden
ebenfalls in unmittelbarer Nähe des großflächigen Ausflugsgebietes.
Auch die über die Kämmereiheide hinausgehenden
Ausflugsgebiete und Ziele am Südufer des
Müggelsees sind von den Haltestellen der Buslinie X69
für mobilitätseingeschränkte Menschen gut zu erreichen,
meist sogar mit deutlich kürzeren Reisezeiten als sie sich
unter Berücksichtigung des langen Weges vom Südausgang
des Spreetunnels ergeben würden. Die Einrichtung

eines zusätzlichen ÖPNV-Angebots mit einer Fähre in
Friedrichshagen würde mithin keinen Erschließungsmangel
beheben, sondern ein zusätzliches Angebot darstellen.
Unter diesem Aspekt ist die Fragestellung nach der Notwendigkeit
einer zusätzlichen ÖPNV-Fährverbindung zu
beantworten. Wie alle anderen Angebote im ÖPNV auch
muss sich dieser Vorschlag zudem an den Vorgaben aus
dem ÖPNV-Gesetz des Landes Berlin messen lassen, zu
denen neben den Vorgaben zur Barrierefreiheit des
ÖPNV nicht zuletzt auch der Aspekt der Wirtschaftlichkeit
gehört (§ 2 Abs. 4 ÖPNVG Berlin).
Bei der Abschätzung des potenziellen Fahrgastaufkommens
auf der vorgeschlagenen Spreequerung ist zu
berücksichtigen, dass nicht jede Person, die heute den
Tunnel quert, auch Nutzer des Fährverkehrs wäre. Denn
die Anzahl der Tunnelnutzer ist geprägt durch die jederzeit
gegebenen Querungsmöglichkeit, auch außerhalb der
im Übrigen Fährverkehr üblichen Betriebszeiten. Zudem
würden die heutigen Nutzerinnen und Nutzer des Tunnels
angesichts der üblichen Wartezeiten eines zudem nur
saisonalen Fährbetriebs in ihrer Mehrheit wohl nicht bis
zu 20 Minuten auf eine parallele Fähre warten.
Auf der Kostenseite ist eine Fährverbindung geprägt
von hohen Fixkosten und der extremen Spezialisierung
sowohl der Technik als auch des Personals. Beides ist –
z.B. ganz im Gegensatz zum Busverkehr – besonders
aufwändig und nicht flexibel einsetzbar bzw. austauschbar.
Zudem ist bei der Kalkulation der Personalkosten zu
berücksichtigen, dass diese auch bei einer Saisonfähre
ganzjährig entstehen. Da die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung
und Umwelt bei der Neukonzeption des
Fährverkehrs ab 2014 zudem das Angebot und die Qualität
u.a. durch eine Saisonverlängerung, deutlich höhere
Anforderungen an das Emissionsverhalten und die Barrierefreiheit
erheblich verbessert hat, müssen für den Fährverkehr
seitdem rund 400.000 € pro Jahr mehr aufgebracht
werden. Insofern sind die Kosten des Fährbetriebs
grundsätzlich als hoch einzuschätzen, sowohl absolut als
auch relativ im Verhältnis zum Fahrgastaufkommen.
Die bekannten Kosten des vorhandenen Fährverkehrs
(ca. 800.000 € für die vier Elektrofähren) reichen daher
für den Aufgabenträger aus, um eine plausible Kosteneinschätzung
vornehmen zu können.
Die Einrichtung einer zusätzlichen Fährverbindung in
Friedrichshagen ist aufgrund der vorhandenen, vielfältigen
und barrierefreien Erschließung der Erholungsgebiete
südlich des Müggelsees weder vordringlich, noch – nach
den für den Aufgabegenträger verbindlichen Vorgaben
des Berliner Nahverkehrsplans – eine Aufgabe der Daseinsvorsorge.
Berlin, den 24. Juni 2016
In Vertretung
C h r i s t i a n G a e b l e r
…………………………..
Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt
(Eingang beim Abgeordnetenhaus am 28. Juni 2016)