Tarife: Schwarzfahren und Strafverfolgungskosten im Jahr 2017

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Vorwort:
Die Schriftliche Anfrage betrifft zum Teil Sachverhalte, die der Senat nicht aus eigener
Zuständigkeit und Kenntnis beantworten kann. Er ist gleichwohl bemüht, Ihnen eine Antwort
auf Ihre Fragen zukommen zu lassen und hat daher die Berliner Verkehrsbetriebe
(BVG) und die S-Bahn Berlin um Stellungnahmen gebeten, die von dort in eigener Verantwortung
erstellt und dem Senat übermittelt wurden. Sie werden nachfolgend entsprechend
gekennzeichnet wiedergegeben.
1. Wie viele #Fahrgäste beförderten #BVG und -Bahn jeweils in Berlin im Jahr 2017?
Zu 1.: Antwort der BVG: Die abschließenden Zahlen für 2017 liegen noch nicht vor.
Antwort S-Bahn Berlin: Für das Jahr 2017 liegen noch keine finalen Werte vor.
2. Wie viele #Fahrscheinkontrollen wurden in Berlin von BVG und S-Bahn im Jahr 2017 durchgeführt?
Zu 2.: Antwort BVG: In 2017 wurden durch die BVG Anstalt öffentlichen Rechts (AöR)
insgesamt 5.062.782 #Fahrausweiskontrollen realisiert.
Antwort S-Bahn Berlin: Durch bei der S-Bahn Berlin eingesetzte Kontrolleure wurden in
2017 ca. 9,1 Mio. Fahrgäste kontrolliert.
3. und 4.: Wie viele Fahrgäste wurden ohne gültigen Fahrschein bei BVG und S-Bahn in Berlin im Jahr
2017 angetroffen?
Zu 3. und 4.: Antwort BVG: In 2017 wurden bei der BVG AöR insgesamt 250.658 Fälle
von erhöhtem Beförderungsentgelt (#EBE) festgestellt.
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Antwort S-Bahn Berlin: Insgesamt wurden in 2017 ca. 291.000 Fahrgäste ohne gültigen
Fahrausweis angetroffen.
5. Von wie vielen „#Schwarzfahrer/innen“ im Jahr 2017 wurde das erhöhte Beförderungsentgelt
a) verlangt,
b) bezahlt/nicht bezahlt und wie hoch waren die Einnahmen daraus?
Zu 5.: Antwort BVG: a) Das erhöhte Beförderungsentgelt wurde insgesamt von 250.658
Fahrgästen ohne Fahrschein verlangt.
b) Die abschließenden Zahlen liegen noch nicht vor.
Antwort S-Bahn Berlin: a) Vgl. Antwort Drs. 17/17834, Nr. 5, Drs. 18/10139, Nr. 5, Drs.
18/10526, Nr. 5.
„Erhöhtes Beförderungsentgelt wird gefordert, wenn die kontrollierte Person keinen
gültigen Fahrausweis vorweisen kann, so dass von allen festgestellten Personen
ein erhöhtes Beförderungsentgelt verlangt wird.“
b) Ca. 40 Prozent der geltend gemachten Beförderungsentgelte wurden bezahlt.
6. Wie viele Strafanzeigen haben BVG und S-Bahn seit dem 1.1.2016 wegen „Schwarzfahrens“ (Erschleichen
von Leistungen nach § 265 a StGB) gestellt (bitte aufschlüsseln nach Strafanzeigen pro Jahr)?
Zu 6.: Antwort BVG: Die BVG AöR stellt grundsätzlich Strafanträge nach § 265a des
Strafgesetzbuches (StGB) gegen Personen, die in einem Zeitraum von zwei Jahren,
mindestens drei Vorgänge von erhöhtem Beförderungsentgelt (Mehrfachtäter) haben. In
2016 wurden insgesamt 11.432 Strafanträge nach § 265a StGB gestellt. In 2017 wurden
insgesamt 10.397 Strafanträge nach § 265a StGB gestellt.
Antwort S-Bahn Berlin: Im Jahr 2016 wurden 34.182 und im Jahr 2017 34.981 Strafanträge
gestellt.
7. Wie viele Strafverfahren wurden aufgrund der vorbezeichneten Strafanzeigen eröffnet, zu wie vielen
Einstellungen bzw. Verurteilungen ist es gekommen und wie lange stellte sich die durchschnittliche Verfahrensdauer
dar (Angaben bitte auch aufschlüsseln nach Jahren)?
Zu 7.: Der Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung liegen
lediglich Daten der Strafverfolgungsstatistik über rechtskräftig Abgeurteilte nach § 265a
StGB vor. Allerdings wird in der Strafverfolgungsstatistik das Delikt 265a StGB (Erschleichen
von Leistungen) ohne Unterscheidung einzelner Tatbestandsalternativen erfasst.
Die Strafvorschrift sanktioniert neben dem Erschleichen der Beförderung durch ein Verkehrsmittel
auch das Erschleichen der Leistung eines Automaten, eines öffentlichen
Zweck dienenden Telekommunikationsnetzes und den Zutritt zu einer Veranstaltung oder
einer Einrichtung. Im Jahr 2016 sind in Berlin aufgrund dieses Delikts insgesamt 9.903
Personen abgeurteilt worden (Verurteilungen und Freisprüche).
Für das Jahr 2017 liegen dem Senat derzeit noch keine Zahlen der Strafverfolgungsstatistik
über rechtskräftig abgeurteilte Personen vor.
8. Welche Rechtsverfolgungskosten (einschließlich der Personalkosten) sind an den Gerichten im vorbezeichneten
Berichtszeitraum durchschnittlich pro durchgeführtem Strafverfahren entstanden?
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Zu 8.: Eine zuverlässige Aussage über die Kosten pro Strafverfahren ist nicht möglich, da
diese stark variieren und insbesondere von der Erledigungsart, den verhängten Rechtsfolgen
und der Möglichkeit der Beitreibung der Verfahrenskosten abhängen.
9. Wie viele Personen verbüßten zum aktuellsten Stichtag in welchen Haftanstalten eine Ersatzfreiheitsstrafe
aufgrund des sogenannten „Schwarzfahrens“ und welche Haftkosten sind dadurch kassenwirksam
entstanden?
Zu 9.: Statistische Zahlen zu Gefangenen mit Ersatzfreiheitsstrafen, die ursprünglich zu
einer Geldstrafe wegen Erschleichens von Leistungen gem. § 265a StGB verurteilt wurden,
werden regelmäßig nicht erhoben. Eine Stichtagsabfrage zum 11. Januar 2018 in
den zuständigen Justizvollzugsanstalten anhand des IT-Fachverfahrens Basis-Web hat
ergeben, dass zu diesem Zeitpunkt in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Moabit 3 Gefangene,
in der JVA Plötzensee 74 Gefangene, in der JVA für Frauen 14 Gefangene, in der
JVA des Offenen Vollzugs ein Gefangener, in der JVA Heidering 3 Gefangene und in der
JVA Tegel 9 Gefangene eine Ersatzfreiheitsstrafe wegen Erschleichens von Leistungen
aktuell verbüßt haben. Zu beachten ist jedoch, dass der Tatbestand des § 265a StGB
neben dem „Schwarzfahren“ noch andere Tatbestandsvarianten enthält.
Die durchschnittlichen Tageshaftkosten einer/eines Gefangenen werden seit dem Haushaltsjahr
1994 bundeseinheitlich berechnet. Ausgewiesen werden seitdem die Tageshaftkosten
bei Vollbelegung aller Haftplätze entsprechend der Belegungsfähigkeit und
die Kosten aufgrund der tatsächlichen Belegung im abgelaufenen Kalenderjahr, wobei
eine Differenzierung nach den Justizvollzugsanstalten, Vollzugsarten oder nach den der
Verurteilung zugrundeliegenden Delikten nicht stattfindet. Danach ergeben sich für das
Land Berlin im Haushaltsjahr 2016 folgende Tagessätze:
2016
nach
Belegungsfähigkeit
nach
tatsächlichen Hafttagen
Tageshaftkosten 120,44 € 142,13 €
Bau-Investitionskostensatz 1,48 € 1,74 €
Sach-Investitionskostensatz 1,82 € 2,15 €
Gesamt-Tageshaftkosten 123,74 € 146,02 €
Für das Haushaltsjahr 2017 liegt noch keine Auswertung vor.
Exemplarisch für den 11. Januar 2018 betragen die Haftkosten für diese Gefangenen
täglich rund 15.000 €.
10. Mit welchen Maßnahmen und Projekten des Senates oder von welchen vom Senat geförderten Maßnahmen
und Projekten wird in Berlin versucht, Ersatzfreiheitsstrafen aufgrund des Erschleichens von Leistungen
zu reduzieren?
Zu 10.: Die Bemühungen des Senats, die Ersatzfreiheitsstrafenvollstreckung im Berliner
Vollzug zu reduzieren, richten sich auf die Gesamtheit derjenigen, denen wegen einer
nicht beitreibbaren Geldstrafe Ersatzfreiheitsstrafe droht oder die eine solche Strafe bereits
angetreten haben. Die von den Sozialen Diensten der Justiz und von den vom Senat
zuwendungsfinanzierten freien Trägern angebotenen Maßnahmen zur Tilgung von
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Geldstrafen (Vermittlung in gemeinnützige Arbeit, Schuldnerberatung, Ratenzahlungsvereinbarungen)
werden unabhängig davon ergriffen, wegen welcher Straftat die jeweilige
Klientin/der jeweilige Klient zu einer Geldstrafe verurteilt wurde. Dasselbe gilt auch für
"day-by-day"-Maßnahmen, wonach im Land Berlin Personen, die bereits eine Ersatzfreiheitsstrafe
angetreten haben, die Möglichkeit haben, ihren Gefängnisaufenthalt durch
Ableistung freier Arbeit während des Vollzuges zu verkürzen.
Im Doppelhaushalt 2018/2019 wurden für zwei „Arbeit-statt-Strafe“-Projekte Zuwendungserhöhungen
im insgesamt fünfstelligen Bereich beschlossen. Im Rahmen der von
der Freien Hilfe Berlin e. V. getragenen Maßnahme „AMEA“ (Ausbau von Maßnahmen
für eingeschränkt Arbeitsfähige) sollen eingeschränkt arbeitsfähige Klienten, die sich bis
dahin im Ersatzfreiheitsstrafenvollzug in der JVA Plötzensee befunden haben, an eine
ergotherapeutische Praxis vermittelt werden. Während der Maßnahme soll neben niedrigschwelliger
Arbeitserprobung die weitergehende stationäre Therapie suchterkrankter
Klienten in die Wege geleitet werden.
Die Maßnahme „Beschäftigungsgeber Grün – Urban Gardening: Pflege Wohnumfeld und
SchulHofverbesserung“ des Trägers sbh (Straffälligen- und Bewährungshilfe)Berlin e. V.
richtet sich an zu Geldstrafe Verurteilte, die aus verschiedenen Gründen (Drogen, Substitution,
Krankheiten, spezifische Delikte mit Ausschlussmerkmal im Einsatzfeld Jugend
etc.) schwer an Beschäftigungsgeber zu vermitteln sind. Einsatzorte für gemeinnützige
Arbeit zur Abwendung der Ersatzfreiheitsstrafe sollen beschäftigungsgebereigene Projekte
auf Schulhöfen oder in Kitas und die Pflege von Wohnumfeldern in Kiezen bzw.
Wohnsiedlungen sowie die Pflege und Reinigung von Schulhöfen sein.
Darüber hinaus ist der Senat weiter bemüht, die Anzahl der Vollstreckungen von Ersatzfreiheitsstrafen
deutlich zu reduzieren. Denkbar wären etwa weitere aufsuchende und
niedrigschwellige Angebote zur Tilgung der Geldstrafe.
11. Welche Aktivitäten verfolgt aktuell die Justizministerkonferenz im Themenfeld der Reduzierung der
Ersatzfreiheitsstrafen allgemein und im Hinblick auf das Problemfeld des sogenannten „Schwarzfahrens“
im Besonderen?
Zu 11.: In der Frühjahrskonferenz 2016 der Justizministerinnen und Justizminister wurde
der Beschluss gefasst, dass eine etwaige Neugestaltung der Ersatzfreiheitsstrafe einer
eingehenden und vertieften Prüfung bedarf. Hierzu sowie zur weiteren Verbesserung des
bestehenden Instrumentariums zur Haftvermeidung wurde eine Bund-Länder-
Arbeitsgruppe gebildet, die unter Beteiligung Berlins im Oktober 2016 ihre Arbeit aufgenommen
hat.
Die Arbeitsgruppe bezieht in ihre Überlegungen verschiedene Ansatzpunkte für die Vermeidung
der Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafe ein, die auf verschiedenen Ebenen
des Strafverfahrens ansetzen. So werden u. a.
 die Einführung neuer Sanktionen und die Erweiterung des Kataloges nach § 153a der
Strafprozessordnung,
 Möglichkeiten der Effektivierung der Tilgung der Geldstrafe durch Zahlung,
 Möglichkeiten zur Effektivierung der gemeinnützigen Arbeit,
 Maßnahmen, die im Rahmen des Vollzugs der Ersatzfreiheitsstrafe ergriffen werden
können und
 die Entkriminalisierung von Bagatellstrafsachen (wozu auch das „Schwarzfahren" gehört)
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diskutiert. Die Vorlage eines Abschlussberichts der Arbeitsgruppe an die Justizministerkonferenz
wird für den Herbst 2018 angestrebt.
12. Welche Möglichkeiten sieht der Senat (ggf. in Kooperation mit der S-Bahn, der BVG), Lösungen zu
finden, um die Anzahl der sogenannten „Schwarzfahrer“ zu reduzieren (z.B. durch gezielte Abonnement-
Kampagnen unter den Betroffenen bzw. entlassenen Inhaftierten)?
Zu 12.: Eine Reduzierung der Anzahl von Schwarzfahrenden wird durch attraktive Tarife
und geeignete Konzepte zur Fahrausweisprüfung gewährleistet. Für die Fahrausweisprüfungen
sind die Verkehrsunternehmen verantwortlich, die wie folgt zu dieser Frage Stellung
genommen haben:
BVG: „Um die Prüfleistungen und damit die Einnahmensicherung der BVG sicherzustellen,
wurde 2017 in einer europaweiten Ausschreibung die Leistung der Fahrausweisprüfung
im Omnibus und in der U-Bahn neu ausgeschrieben. Die Prüfleistung für den Omnibus
konnte bereits zum November 2017 vergeben werden, die Vergabe der Prüfleistung
für die U-Bahn ist teilweise abgeschlossen bzw. steht kurz vor dem Abschluss. Ziel der
Neuvergabe ist es, den Kontrollgrad kontinuierlich zu steigern und somit die Schwarzfahrerquote
nachhaltig zu senken.
Darüber hinaus entwickelt die BVG laufend Kampagnen, um weitere Kunden – vor allem
Abonnementkunden – zu gewinnen."
S-Bahn Berlin: „Die Abonnentenkampagne der S-Bahn Berlin richtet sich an die Allgemeinheit
und inkludiert folgerichtig die genannten Zielgruppen.“
13. Wie stellt sich der aktuelle Stand und Zeitplan hinsichtlich der Prüfung und Modellerarbeitung zur Einführung
eines fahrscheinlosen Nahverkehrs dar?
Zu 13.: Der Senat wird im Jahr 2018 grundsätzliche Untersuchungen zur Weiterentwicklung
des Tarifsystems beauftragen. Ergebnisse werden erst nach Abschluss dieses längeren
Prozesses vorliegen.
Berlin, den 26. Januar 2018
In Vertretung
M. Gerlach
Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz
und Antidiskriminierung