Straßenverkehr: Tempo drosseln – Gesundheit schützen, Gesundheitlichen Schutz der Wohnbevölkerung an Hauptverkehrsstraßen, aus SenatStraßenverkehr: Tempo drosseln – Gesundheit schützen,

15.03.2024

Frage 1:

Welche #gesundheitlichen #Schäden der #Wohnbevölkerung können bei einer #Überschreitung der #Grenzwerte des #Lärmmittelungspegels oberhalb 65 dB (A) und 55 dB(A) nachts an der Bebauung eintreten? Welche gesundheitlichen Schäden können aus einer Überschreitung der #Stickoxidbelastung oberhalb von 40 µg/ m3 als Jahresmittel resultieren?

Antwort zu 1:

Dauerhaftes Einwirken eines Lärmmittelungspegels oberhalb 65 dB(A) am Tag oder 55 dB(A) nachts wirken als #Stressfaktor und beeinflussen so Gesundheit und Wohlbefinden. Infolge der Aktivierung des autonomen Nervensystems und des hormonellen Systems kommt es zu Veränderungen bei Blutdruck, Herzfrequenz und anderen Kreislauffaktoren. Die vermehrte Ausschüttung von Stresshormonen greift ihrerseits in Stoffwechselvorgänge des Körpers ein.

Stickstoffdioxid (NO2) schädigt das Schleimhautgewebe im Atemtrakt und reizt die Augen. Bei hohen Konzentrationen können Atemnot, Husten, Bronchitis, Lungenödem, steigende Anfälligkeit für Atemwegsinfekte sowie Lungenfunktionsminderung auftreten.

Frage 2:

Wie verfolgt der Senat das Ziel im Stadtentwicklungsplans Mobilität und Verkehr: „ Schnellstmögliche Senkung der NO 2-Jahresmittelwerte an allen Straßen unter 30 Mikrogramm pro Kubikmeter (µg/ m³)” ? Bei welchen Straßen konnte der Senat Erfolge nachweisen? An welchen Straßen werden die Werte weiterhin überschritten? Bitte um Auflistung pro Bezirk.

Antwort zu 2:

Der Stadtentwicklungsplan Mobilität und Verkehr definiert die für verkehrliche Sachverhalte geltenden Randbedingungen und Maßnahmenfelder. Die Umsetzung seiner Ziele obliegt dabei fallweise parallelen, fallweise nachgeordneten Planwerken. Zentrales Werkzeug zur Erreichung der Ziele im Bereich der Luftreinhaltung ist gemäß § 47 Bundes-Immissionsschutzgesetz und § 27 der 39. Verordnung zum Bundes-Immissionsschutzgesetz der Luftreinhalteplan.

In 2022 wurde an 46 Standorten an Hauptverkehrsstraßen die NO 2-Belastung gemessen. Die Standortwahl entspricht den Anforderungen der 39. Bundes-Immissionsschutzverordnung, Anlage 3, wonach der Ort der Probenahmestellen so zu wählen ist, dass Daten über Bereiche gewonnen werden, in denen die höchsten Werte auftreten, denen die Bevölkerung ausgesetzt ist. Die NO 2-Messungen für 2023 unterliegen noch der Qualitätskontrolle und stehen daher noch nicht zur Verfügung.

An 13 der 46 Standorte wurde in 2022 ein NO 2-Jahresmittelwert über 30 µg/ m³ gemessen. Die #Messergebnisse für diese 13 Stand orte sind in nachfolgender Tabelle wiedergegeben.

Kennung#StandortNO 2-Jahresmittel [µg/ m³]Bezirk
MP 531Spandauer Damm 103 14059 Berlin37Charlottenburg- Wilmersdorf
MP 547Landsberger Allee 6-8 10249 Berlin32Friedrichshain- Kreuzberg
MP 624Mehringdamm 46-48 10961 Berlin37Friedrichshain- Kreuzberg
MP 514Alt Friedrichsfelde 7a 10315 Berlin32Lichtenberg
MP 537Alt Moabit 63 10555 Berlin31Mitte
MP 525Leipziger Straße 32 10117 Berlin32Mitte
MP 573Badstraße 67 13357 Berlin33Mitte
MP 533Hermannstraße 120 12051 Berlin31Neukölln
MP 545Sonnenallee 68 12045 Berlin33Neukölln
MP 555Hermannplatz 12047 Berlin33Neukölln
MC 143Silbersteinstraße 1 12051 Berlin33Neukölln
MP 622Mariendorfer Damm 58-60 12109 Berlin31Tempelhof- Schöneberg
MP 507Michael-Brückner-Straße 5 12439 Berlin32Treptow-Köpenick

Frage 3:

Welche Kriterien hat der Berliner Senat bisher bei der #Anordnung von #Tempo 30 in #Hauptverkehrsstraßen entsprechend § 45 der StVO zum Schutz der Wohnbevölkerung angewandt? Trifft es zu, dass für die Anordnung in Berlin mehrere Kriterien erfüllt werden müssen, so dass z.B. eine Überschreitung des NOx-Wertes allein nicht ausreicht? Welche anderen Kriterien sind für den Senat relevant für die Anordnung von Tempo 30?

Antwort zu 3:

Zur Beurteilung der verkehrsbedingten #Lärmbelastung werden die in den Richtlinien für straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor Lärm (Lärmschutz- Richtlinien-StV) vom 23.11.2007 vorgegebenen Lärmrichtwerte und auch die planungsrechtlichen Immissionsgrenzwerte der 16. Verordnung (16. BImSchV) zur Durchführung des Bundes- Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) vom 12. Juni 1990 als Orientierungshilfe insbesondere für die Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze herangezogen.

Grundsätzlich sind die #Straßenverkehrsbehörden nach § 45 der Straßenverkehrs-Ordnung (#StVO) ermächtigt, zum Schutz der Wohnbevölkerung geeignete Maßnahmen anzuordnen. Gemäß § 45 Abs. 9 StVO dürfen Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen allerdings nur dort angeordnet werden, wo es wegen der besonderen Umstände zwingend geboten ist. Bei der Prüfung der Anordnung von Verkehrsbeschränkungen stellt daher die Höhe der Belastung zwar ein Indiz dar, es muss aber im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben eine Abwägung aller Belange erfolgen, insbesondere auch hinsichtlich der Geeignetheit zur Reduzierung der Belastungen sowie der Auswirkungen derartiger Maßnahmen auf die Funktion der Straße.

Für die Beurteilung der verkehrsverursachten Luftschadstoffbelastung sind die Grenzwerte der

  • Verordnung zur Durchführung des Bundes – Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen –  39. BImSchV) vom 02.08.2010 (in der aktuellen Fassung) entscheidend. Dabei ist es ausreichend, wenn die Überschreitung von Luftqualitätsgrenzwerten, wie dem Jahresgrenzwert für Stickstoffdioxid, auftritt oder die Gefahr einer Grenzwertüberschreitung nicht ausgeschlossen werden kann. Die Festlegung von Tempo 30 erfolgt in diesen Fällen als verkehrsbeschränkende Maßnahmen nach § 40 Abs. 1 Bundes- Immissionsschutzgesetz in einem Luftreinhalteplan. Ist Tempo 30 in einem Luftreinhalteplan festgelegt, so muss dies von der Straßenbehörde ohne weitere Prüfungen angeordnet werden.

Diese Kriterien sind bundesweit einheitlich.

Frage 4:

Trifft es zu, dass Tempo 30 nur in dicht bewohnten Gebieten angeordnet wird? Welche Lärmkennziffer (das Produkt aus Überschreitung des Grenzwertes und der Anwohnerzahl an einem Straßenabschnitt) wird zu Grunde gelegt?

Antwort zu 4:

Straßenverkehrsrechtliche Anordnungen bei Einzelanträgen auf Grundlage von § 45 StVO berücksichtigen nicht die Anzahl der Anwohnenden. Insofern hat dabei die Lärmkennziffer keine Bedeutung.

Frage 5:

Wie werden Kriterien der Verkehrssicherheit bei der Anordnung von Tempo 30 berücksichtigt? Frage 6:

Wie werden Kriterien der Umweltgerechtigkeit bei der Anordnung von Tempo 30 berücksichtigt?

Antwort zu 5 und 6:

Die Beantwortung der Fragen 5 und 6 erfolgt gemeinsam.

Die Anordnung von Maßnahmen zum Schutz der Wohnbevölkerung vor verkehrsverursachten Lärm- und Luftschadstoffbelastungen stellt gemäß § 45 Absatz 1 Satz 2 Nr. 3 StVO ein eigenes Kriterium dar und impliziert daher keine Prüfungen von Verkehrssicherheitsbelangen oder Kriterien der Umweltgerechtigkeit.

Frage 7:

Nach welchen Kriterien wird der Senat Tempo 30 Abschnitte zu einer Prüfung auswählen, ob sie ggf. wieder auf Tempo 50 heraufgesetzt werden. Welche Straßenabschnitte sind bisher zu einer solchen Prüfung vorgesehen?

Antwort zu 7:

Aufgrund der Einhaltung aller Luftqualitätsgrenzwerte seit 2020 in Berlin wurden sä mtliche Tempo-30-Strecken ausgewählt, für die auf der Grundlage des Luftreinhalteplans für Berlin – 2. Fortschreibung – eine Anordnung von Tempo 30 aus Gründen der Luftreinhaltung erfolgte. Dabei handelt es sich um folgende 41 Straßenabschnitte:

  • Albrechtstraße: von Robert-Lück-Straße bis Neue Filandastraße
    • Alt-Moabit: von Gotzkowskystraße bis Beusselstraße
    • Badstraße: von Behmstraße bis Exerzierstraße
    • Breite Straße: von Grabbeallee bis Mühlenstraße
    • Brückenstraße: von Köpenicker Straße bis Holzmarktstraße
    • Danziger Straße: von Schönhauser Allee bis Schliemannstraße
    • Dominicusstraße: von Ebersstr. bis Hauptstraße
    • Dorotheenstraße: von Wilhelmstraße bis Friedrich-Ebert-Platz
    • Elsenstraße: von Treptower Park bis Karl-Kunger-Straße
    • Erkstraße: von Karl-Marx-Straße bis Sonnenallee
    • Friedrichstraße: von Unter den Linden bis Dorotheenstraße
    • Hauptstraße: von Kleistpark bis Innsbrucker Platz
    • Hermannstraße: von Mariendorfer Weg bis Silbersteinstraße
    • Hermannstraße: von Silbersteinstraße bis Emser Straße
    • Invalidenstraße: von Alexanderufer bis Scharnhorststraße
    • Joachimsthaler Straße: von Hardenbergplatz bis Kurfürstendamm
    • Kaiser-Friedrich-Straße: von Kantstraße bis Otto-Suhr-Allee
    • Klosterstraße: von Brunsbüttler Damm bis Pichelsdorfer Straße
    • Leipziger Straße: von Leipziger Platz (Ost) bis Charlottenstraße
    • Leonorenstraße: von Bernkastlerstraße bis Kaiser-Wilhelm Straße
    • Luxemburger Straße: von Genter Straße bis Müllerstraße
    • Mariendorfer Damm: von Westphalweg bis Eisenacher Straße
    • Martin-Luther-Straße: von Lietzenburger Straße bis Motzstraße
    • Mehringdamm: von Yorckstraße bis Bergmannstraße
    • Müllerstraße: von Seestraße bis Antonstraße
    • Oranienburger Straße: von Roedernallee bis Wilhelmsruher Damm
    • Oranienstraße: von Moritzplatz bis Oranienplatz
    • Potsdamer Straße: von Potsdamer Platz bis Kleistpark
    • Reinhardtstraße: von Charitéstraße bis Kapelle-Ufer
    • Residenzstraße: von Amendestraße bis Lindauer Allee
    • Saarstraße: von Rheinstraße bis Autobahnbrücke
    • Scharnweberstraße: von Kapweg bis Afrikanische Straße
  • Schönholzer Straße: von Wollankstraße bis Parkstraße
    • Sonnenallee: von Thiemannstraße bis Reuterstraße
    • Spandauer Damm: von Klausener Platz bis Königin-Elisabeth-Straße
    • Stromstraße: von Bugenhagenstraße bis Turmstraße
    • Tempelhofer Damm: von Ordensmeisterstraße bis Alt-Tempelhof
    • Torstraße: von Prenzlauer Allee bis Chausseestraße
    • Turmstraße: von Stromstraße bis Beusselstraße
    • Wildenbruchstraße: von Sonnenallee bis Weserstraße
    • Wilhelmstraße: von Unter den Linden bis Dorotheenstraße

Die Prüfung erfolgt im Rahmen der derzeit laufenden 3. Fortschreibung des Luftreinhalteplans.

Frage 8:

Werden dabei die aktuellen Lärmpegel und NOx-Werte an den Stellen gemessen, wo die Tempo 30 Abschnitte angeordnet wurden, oder werden sie aus den vorhandenen Messstützpunkten des Netzes mit Modellrechnungen abgeschätzt? Sofern sie aus Modellrechnungen abgeschätzt werden, aus welchen Jahren stammen die Daten?

Antwort zu 8:

Im Rahmen der derzeit laufenden 3. Fortschreibung des Luftreinhalteplans beruht die Beurteilung der Luftqualität und der weiteren Erforderlichkeit der Anordnung „ Tempo 30 aus Luftreinhaltegründen“ auf insgesamt 46 NO 2-Messpunkten in Berlin.

Die Beurteilung der Lärmbelastung basiert auf den Eingangsdaten der strategischen Lärmkarte 2022. Berechnet wurden die Lärmpegel nach den Richtlinien für den Lärmschutz an Straßen in der Ausgabe 1990, welche die Grundlage für straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen entsprechend der Straßenverkehrsordnung ist. Die Lärmpegel liegen berlinweit und adressgenau vor, also auch für die zuvor benannten Straßenabschnitte.

Frage 9:

Wird bei den NOx-Werten und den Daten der Lärmpegel berücksichtigt, dass diese bis 2030 durch die schnell wachsenden Pendlerverkehre aus Brandenburg und durch die Verdichtung der Stadt ansteigen werden, da viele Maßnahmen des StEP Mobilität und Verkehr (z.B. „ i2030“ ) bis 2030 überhaupt nicht umgesetzt werden können? Wenn ja, wie fließt diese Bewertung der Lärmpegel ein? Wenn nein, warum nicht?

Antwort zu 9:

Bei der Prüfung der Tempo 30-Strecken aus Gründen der Luftreinhaltung wird die Auswirkung eines Anstiegs der Verkehrsmengen auf den Vor-Corona-Stand von 2019 auf die NO 2- Jahresmittelwerte von 2022 modelliert. 2022 lagen die Verkehrsmengen etwa 20 % niedriger als 2019 (siehe zum Verfahren die Erläuterungen im Planentwurf zur 3. Fortschreibung des Luftreinhalteplans:

http s:/ / www.b erlin.d e/ sen/ uvk/ _a ssets/ umwelt/ luft/ luftreinha ltung / luftreinha ltep la n-3- fortschreib ung / lrp -3-fortschreib ung -entwurf.p d f?ts=1707467135)

Die Eingangsdaten der strategischen Lärmkarte basieren auf den Verkehrsmengen 2019.

Frage 10:

Wo gibt es weitere Potenziale für Tempo 30 Abschnitte in der Stadt, wenn man die Daten aus der Lärmkarte und der Karten zur Luftqualität, die die NOx-Werte ausweiten, berücksichtigt?

Antwort zu 10:

Unter Berücksichtigung der geltenden Luftqualitätsgrenzwerte der 39. Verordnung zum Bundes- Immissionsschutzgesetz ergeben sich keine weiteren Potenziale für Tempo 30 auf Hauptverkehrsstraßen. Ob sich aus den Daten der Lärmkartierung weitere Potenziale für Tempo 30 ergeben, wir momentan in der Fortschreibung des Lärmaktionsplans geprüft.

Berlin, den 15.03.2024

In Vertretung Britta Behrendt

Senatsverwaltung für

Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt

www.berlin.de