07.02.2025
Liebe VIV-Mitglieder,
Sehr geehrte Damen und Herren,
So wie es 80 Millionen Bundestrainer gibt, gibt es auch 80 Millionen Bahnchefs. Zugegeben, so viele sind es sicher nicht, denn es soll nicht wenige eingefleischte #Autofahrende geben, die für keinen #SuperSpar- preis dieser Welt ihren Fuß in einen ICE setzen würden.
Dass es in Deutschland eine, Achtung Ironie, gewisse Unzufriedenheit mit dem System Bahn gibt, ist mehr als offensichtlich. Und es ist ja wahr: #Pünktlichkeit, #Zuverlässigkeit, #Service und #Fahrgastinformation sind tagaus, tagein für den Kunden relevante Themen. Wenn dann am Freitagnachmittag wegen Verzögerun- gen im Betriebsablauf der Zug heute in umgekehrter Wagenreihung mit ausgefallenen Reservierungsan- zeigen und geschlossenem BordBistro einfährt, dann, ja dann, sehnt sich so mancher nach seinem Auto. Fast nie, das sei ausdrücklich erwähnt, in der Kritik steht übrigens das Personal „an der Front“.
Wo Unzufriedenheit einer relevant großen Wählergruppe ist, sind Politikerinnen und Politiker in aller Re- gel nicht weit – zumal so kurz vor einer Bundestagswahl. Die Versuchung ist einfach zu groß.
Und da sind sie dann also auch schon die Vorschläge von echten oder vermeintlichen Verkehrsexperten: Bahn #privatisieren (hatten wir das nicht schon mal?), Bahn #zerschlagen oder vornehmer: #Trennung von Netz und Betrieb, Bahnchef abberufen, ….
„Rin‘ in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln“
War es nicht die Politik, die über viele Legislaturen das im Staatsbesitz befindliche Unternehmen „Deutsche Bahn“ hat links lassen? Die lieber Bänder bei Ortsumfahrungen oder Autobahneröffnungen durch- schnitt, anstatt sich um stillliegende oder vernachlässigte Infrastruktur zu kümmern? Die ständig in die Firma hineinregierte frei nach dem Motto „rin in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln“? Die ehemalige Politiker im Vorstand der DB unterbrachte oder gar parkte? War es vorgestern ein Bahnchef, der das Un- ternehmen an die Börse bringen sollte, haben wir nun eine gemeinwohlorientierte Infrastruktur, von der niemand so recht sagen kann, was das ist und welche Konsequenzen das hat. Politische Entscheidungen, die Modeströmen unterliegen. Ganz aktuell stehen die Korridorsanierungen wieder auf dem Prüfstand, weil ein Verkehrspolitiker der absehbaren Regierungspartei mäkelt, dass neben Gleisen, Oberleitung, Leit- und Sicherungstechnik nicht noch gleich Brücken oder ähnliches saniert werden. Darf man das anmaßend nennen?
Ein Blick auf die Berliner S-Bahn
Und wie war das eigentlich mit der Berliner S-Bahn-Krise 2009? Hatte da nicht geflissentlich ein Geschäftsführer (übrigens heute nach Zwischenstationen wieder in leitender Funktion bei der DB) versucht, Renditeziele als Folge politischer Vorgaben zu erreichen? Was eigentlich macht dieser und der vorhergehende Berliner Senat mit der #S-Bahn-Ausschreibung? Viele warnen vor einer erneuten Fahrzeugkrise Anfang der Dreißiger, weil Entscheidungen nicht getroffen, Investitionsentscheidungen unmöglich gemacht werden.
Schatten der Vergangenheit
Erinnern Sie sich an den #Deutschlandtakt? An das Ziel, bis 2030 die Fahrgastzahlen im Fernverkehr zu verdoppeln? An das Ziel, auch jenseits der Rennstrecken (wieder) Fernverkehr anzubieten? An die Idee, die #Infrastruktur einem #Zielfahrplan anzupassen? Hatten wir gar das Wort „#Verkehrswende“, vielleicht sogar im Zusammenhang mit „#Klimawandel“?
Nun sind wir zu anderen Themen migriert und wenn es tatsächlich um Mobilität geht, dann eher um „Ver- brennerverbot“, „Technologieoffenheit“ und die (hausgemachten?) Probleme der Autoindustrie.
Wir können in diesem Rahmen die Dinge ja nur antippen, aber zwei Beispiele seien gestattet:
- Woher kommt eigentlich die Idee, das Infrastruktur Geld verdienen, gar Gewinne erwirtschaften muss? Muss das die A20 in den Weiten Mecklenburgs auch? Oder die zukünftige A14 in der Prig- nitz? Wohl kaum, denn das sind Infrastrukturprojekte für wirtschaftsschwache Räume. Warum gilt das eigentlich nicht für Gleise?
- Wenn wir Fernverkehr nicht nur auf den Magistralen zwischen den Ballungszentren wollen, sondern auch „in der Fläche“, wird er nicht kostendeckend zu produzieren sein. Ein Unternehmen mit Kapitalmarkthintergrund wird ein Zugpaar wie den IC2431/2432 (Emden – Cottbus – Norddeich) nicht anbieten können. Vielleicht in den Sommerferien, aber nicht Anfang Februar. Die Mobilitätsplattform FLIX ist dafür ein gutes Beispiel: an ausgewählten Verkehrstagen gibt es Angebote auf nachfragestarken Relationen für ein #preissensibles Publikum.
Fromme Wünsche an die Politik
Erinnert Euch an den Deutschlandtakt und beantwortet die Frage: Was wollen wir? Was sind die Ziele? Entwickelt eine Strategie für die Sanierung der deutschen Eisenbahn! Bleibt grundsätzlich bei dieser Strategie und passt sie nur in Nuancen auf der Basis von Erfahrungen an! Habt einen langen Atem und Geduld! So wie die vielen Fahrgäste das seit langem und täglich beweisen: viele, sehr viele, Deutsche lieben ihre Eisenbahn. Sichert die Finanzierung der Eisenbahn über Legislaturen hinaus – guckt in die Schweiz. Und zuletzt: der „Bahnsinn Riedbahn“ beweist es – man kann auch Infrastruktursanierung gut vermarkten.
Freundliche Grüße Michael Rothe