Schiffsverkehr: Können Schöne Schiffe das Monopol der Dieselschiff-Reeder brechen?, aus Senat

06.02.2023

Frage 1:
Die Berliner Morgenpost berichtete am 9. Dezember 2022 vom „#Anleger-Streit an Berlins Ufern“. Konkret geht es darum, ob ein Anbieter von emissionsfreien #Elektroschiffen („Schöne Schiffe Berlin“) einen Anleger am Berliner Dom betreiben darf. Wie ist der Stand der Dinge beim noch von Berliner Seite ausstehenden Verwaltungsakt, nachdem das unter #Bundesaufsicht stehende #Wassertraßen- und Schiffahrtsamt #Spree-Havel bereits im Sinne des neuen Anbieters gehandelt hat?


Antwort zu 1:
Ein Anbieter von emissionsfreien #Elektroschiffen kann einen Anleger am Berliner Dom betreiben, wenn er über die erforderlichen Zulassungen verfügt. Für den o.g. Verwaltungsakt liegt noch kein vollständiger Antrag vor.
Frage 2:
Der Tagesspiegel berichtete am 15. Dezember 2022 in einem Artikel zum gleichen juristischen Fall, dass die
bisherigen mit #Dieselmotoren betriebenen #Fahrgastschiffe #Feinstaub ausstoßen, wie es 120.000 Fahrzeuge im
gleichen Zeitraum tun. Inwiefern ist dem Senat daran gelegen, einem Anbieter von emmissionsfreien
Elektroschiffen eine faire Wettbewerbschance zu geben, um auch im Bereich der Fahrgastschifffahrt einen Beitrag
zur Luftreinhaltung zu leisten?
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Antwort zu 2:
Gemäß Emissionskataster für Berlin, das den Schadstoffausstoß aller Quellen in Berlin umfasst,
emittieren Binnenschiffe pro Jahr 9,6 Tonnen Dieselrußpartikel, davon etwa 60 % aus
Fahrgastschiffen. Aus dem Straßenverkehr stammen 96 Tonnen abgasbedingte Partikel und
zusätzlich 450 Tonnen Feinstaub aus Abrieb und Aufwirbelung pro Jahr.
Im Vergleich mit den Gesamtemissionen aller Quellen in Berlin relativiert sich die Bedeutung
der Binnenschifffahrt beim Schadstoffausstoß (NOx und Feinstaub PM10) weiter: Sie verursacht
1,3 Prozent der in Berlin emittierten 18.931 t/a Stickoxide und 0,4 % der emittierten 2.446 t/a
Feinstaub PM10. Der Schiffsverkehr ist gesamtstädtisch daher nur eine untergeordnete Quelle
für Luftschadstoffe. (siehe auch https://www.berlin.de/sen/uvk/umwelt/luft/schadstoffausstossemissionen/-emissionskataster-2015/kfz-verkehr/)
Im unmittelbaren Uferbereich können jedoch die Schadstoffe aus Fahrgastschiffen erheblich zur
Luftbelastung beitragen. Daher ist es das Ziel des Senats, die Umstellung auf emissionsarme
Schiffe zu fördern. Hierzu dient z.B. das Förderprogramm für die nachhaltige Nachrüstung und
Umrüstung von Fahrgastschiffen. Neben der Umrüstung von Bestandsschiffen auf Elektroantrieb
spielt damit auch die Nachrüstung mit Partikelfiltern eine große Rolle. Denn mit diesen Filter
können mehr als 95 % der Partikelmasse aus dem Abgas entfernt werden. Gerade für größere
Fahrgastschiffe im Bestand ist dies im Vergleich zur Umrüstung auf Elektroantrieb eine sehr
kosteneffiziente Maßnahme für bessere Luft in Ufernähe. Im Rahmen des Förderprogramms
wurde im Übrigen auch die Umrüstung des einzigen von dem Anbieter „Schöne Schiffe Berlin“
derzeit betriebene Schiffs von Diesel- auf Elektroantrieb gefördert.
Die Landeskartellbehörde Berlin führt auf der Grundlage des Gesetzes gegen
Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) ein Verfahren, das die Zielsetzung hat, den Zugang zu
den Wasserflächen zu öffnen, die für die Errichtung von Steganlagen und damit das Angebot
von Personenschifffahrtsleistungen erforderlich sind. Im Land Berlin werden keine
Nutzungsverträge über weitere Wasserflächen an den Bundeswasserstraßen geschlossen.
Damit ist ein Marktzugang nur an den Steganlagen bzw. Wasserflächen möglich, für die die
Bundeswasserstraßenverwaltung bereits Nutzungsverträge geschlossen hat. Das
Missbrauchsverbot des § 19 GWB sieht vor, dass Eigentümer wettbewerbsrelevanter und
knapper Ressourcen, die Private für eine unternehmerische Tätigkeit benötigen, diese nach
objektiven Kriterien ausschreiben und vergeben und die jeweilige Nutzungsdauer begrenzen
müssen, um in regelmäßigen Abständen ein Fenster für Wettbewerb zu öffnen. Dabei scheint es
mit Blick auf das gesetzgeberische Ziel der schnellstmöglichen CO2-Neutralität durchaus
sachgerecht, auch die ökologischen Auswirkungen der für die Personenschifffahrt eingesetzten
Fahrzeuge bei der Vergabe zu berücksichtigen. Die Landeskartellbehörde hat deshalb im
Dezember 2022 ein Verfahren gegen die Bundeswasserstraßenverwaltung eröffnet, die die
Nutzungsverträge über die für die Errichtung von Steganlagen erforderlichen Wasserflächen
abschließt.
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Frage 3:
Sollte es im genannten Fall zu einer langwierigen juristischen Blockade durch den Monopolisten Stern und Kreis
kommen, welche Möglichkeit hat der Senat, Anbietern von Elektroschiffen den Markteintritt zu erleichtern durch
neue Anlegestellen im attraktiven Innenstadtbereich?
Antwort zu 3:
Das Unternehmen Stern und Kreisschiffahrt GmbH hat mit Abstand die meisten
Nutzungsverträge über Wasserflächen an den Bundeswasserstraßen des Landes Berlin.
Maßgeblich für diese Situation ist der Umstand, dass die Verträge bei der Erstvergabe nicht
nach objektiven, die Wettbewerbssituation berücksichtigenden Auswahlkriterien vergeben und
faktisch unbegrenzt fortgeführt wurden. Hier liegt der Lösungsansatz für die Öffnung des
abgeschotteten Marktes.
Die Genehmigung von neuen Steganlagen, z.B. im attraktiven Innenstadtbereich, erfolgt unter
Beachtung des Wasserrechts, das dem Gewässerschutz dient, und im Rahmen des
Verwaltungs- und Verwaltungsverfahrensrechts. Darüberhinaus strebt der Senat perspektivisch
die Übernahme und Verwaltung der Anlegestege der Fahrgastschifffahrt in Berlin an.

Berlin, den 02.02.2023
In Vertretung
Dr. Silke Karcher
Senatsverwaltung für
Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz

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