Straßenverkehr: Verkehrsexperiment Friedrichstraße in Mitte – wann beendet der Senat endlich dieses gescheiterte Projekt?, aus Senat

Frage 1:
Wie fällt die Bilanz des Senats für das Projekt „#verkehrsberuhigte #Friedrichstraße zwischen
Französische Straße und Leipziger Straße“ nach 2 ½ Jahren Laufzeit aus?
Frage 2:
Was wurde innerhalb dieser #Projektlaufzeit unternommen, um zu evaluieren, was an diesem Projekt
schiefgegangen ist, warum es misslungen ist und wie die #Verödung der Straße in diesem Abschnitt
hätte vermieden werden können?


Antwort zu 1 und 2:
Im Rahmen des Projekts „#Flaniermeile Friedrichstraße“ fand vom 29. August 2020 bis

Oktober 2021 ein #Verkehrsversuch nach § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 StVO statt. Der
Verkehrsversuch wurde fortlaufend #evaluiert. So erfolgten Untersuchungen zu den
verkehrlichen, wirtschaftlichen und Umwelteffekten des Projekts „Flaniermeile
Friedrichstraße“ durch verschiedene Fachbereiche der Senatsverwaltung für
Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz und des Bezirks Mitte von Berlin.
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Einen ersten Zwischenstand hat der Senat im Dezember 2020 veröffentlicht. Der
zweite Zwischenbericht (Erkenntnisstand bis einschließlich Juni 2021) schrieb die
Erkenntnisse fort und wurde im Oktober 2021 veröffentlicht. Auf Grundlage der
vorliegenden Zwischenergebnisse wurde entschieden, die #Verkehrsberuhigung
dauerhaft anzustreben. Demnach ist die Verkehrsberuhigung des
Straßenabschnitts zwischen Französische Straße und Leipziger Straße verträglich.
Die #Aufenthaltsqualität und damit #Attraktivität der Friedrichstraße konnte
gegenüber der Ausgangssituation durch das Projekt „Flaniermeile Friedrichstraße“
und auf Basis der guten Zusammenarbeit mit Anrainerinnen und Anrainern deutlich
gesteigert werden.
Der Abschlussberichtbericht zum gesamten Projektzeitraum wird in den nächsten
Wochen veröffentlicht.
Frage 3:
Welche Maßnahmen wird der Senat ergreifen, um unter Beteiligung der anliegenden
Gewerbetreibenden und der Bürger in diesem Viertel konstruktiv und partnerschaftlich die Straße
wieder der Attraktivität und Lebendigkeit zuzuführen, die sich für eine solche Straße mitten im
Zentrum Berlins ja förmlich anbietet?
Antwort zu 3:
Die Senatsverwaltung und der Bezirk profitieren seit Projektbeginn von der guten
Zusammenarbeit mit Anrainerinnen und Anrainern, durch die die
Aufenthaltsqualität in der Friedrichstraße im Vergleich zur Ausgangssituation
deutlich verbessert werden konnte. Das unterstreichen auch die Ergebnisse der
Befragungen von Passantinnen und Passanten sowie von Gewerbetreibenden.
Die Anrainerinnen und Anrainer gestalteten und gestalten weiterhin den
Straßenabschnitt durch eigene Sondernutzungen auf der Straße und durch die
Nutzung der sogenannten „Showcases“ mit. Der Bezirk unterstützt die
Anrainerinnen und Anrainer bei den erforderlichen Genehmigungsverfahren und
koordiniert die Belegung der Showcases.
Auch zukünftig werden Senat und Bezirk den Austausch mit den Anrainerinnen und
Anrainern suchen und diese bei der Abstimmung zur weiteren Ausgestaltung der
Friedrichstraße einbeziehen.
Frage 4:
Warum hat der Senat das gescheiterte Verkehrsexperiment nicht wie vorgesehen nach einem
halben Jahr beendet und ehrlich Bilanz gezogen, stattdessen das Projekt immer weiter fortgeführt,
ohne zumindest sichtbar nachzubessern?
Antwort zu 4:
Der Verkehrsversuch zum Projekt „Flaniermeile Friedrichstraße“ war erfolgreich.
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Die Verlängerung des zunächst bis Ende Januar 2021 terminierten Verkehrsversuchs
resultierte aus der Pandemie-Entwicklung: Auf Grundlage des ersten
Zwischenstandes der begleitenden Untersuchungen (Dezember 2020) wurde
entschieden, den Zeitraum des Verkehrsversuchs aufgrund der PandemieEntwicklung zur Datenabsicherung und validen Projektbewertung bis Ende
Oktober 2021 zu verlängern. Auf Basis der positiven Zwischenergebnisse und
Erfahrungen wurde schließlich im Oktober 2021 entschieden, das Projekt
„Flaniermeile Friedrichstraße“ fortzusetzen und eine dauerhafte
Verkehrsberuhigung in der Friedrichstraße anzustreben.
Resultierend aus den Begleituntersuchungen und Hinweisen insbesondere von den
Anrainerinnen und Anrainern erfolgten während des Projektzeitraums verkehrliche
und gestalterische Anpassungen.
Frage 4.1:
Will der Senat ernsthaft ein solches Innenstadtverödungsprojekt dauerhaft dort belassen oder ist
eine grundlegende Analyse und Überprüfung derartiger Maßnahmen nach bereits teuren
Fehlplanungen in der Maaßenstraße und in der Bergmannstraße nicht nunmehr überfällig?
Frage 6:
Wird der Senat die Worte unserer Regierenden Bürgermeisterin ernst nehmen, die klar gesagt hat,
dass das Projekt so nicht funktioniert, und die ein ergebnisoffenes Nachdenken über eine zukünftige
Gestaltung einfordert, das zumindest auch die Möglichkeit von Individualverkehr in der Straße
wieder mit in Erwägung zieht?
Antwort zu 4.1 und 6:
Der Verkehrsversuch hatte das Ziel, die Verträglichkeit und die Ausgestaltung einer
dauerhaften Verkehrsberuhigung dieses Straßenabschnitts zu prüfen. Die Prüfung
erfolgte ergebnisoffen. Nach den vorliegenden Ergebnissen ist eine dauerhafte
Verkehrsberuhigung unter Ausschluss des Kfz-Verkehrs möglich.
Die zukünftige Gestaltung der „Flaniermeile Friedrichstraße“ erfolgt im Rahmen
eines Gestaltungswettbewerbs unter Beteiligung der Öffentlichkeit und wird die
derzeitige, temporäre Gestaltung ersetzen.
Frage 5:
Hat der Senat wahrgenommen, dass es nicht unmöglich ist, ein solches Projekt auch attraktiv zu
gestalten, wie die einzige Ausnahme dort, der Privatbetrieb „Frittenwerk“ beweist, der – sogar unter
Pandemiebedingungen! – „seine“ 20 laufenden Meter Anliegerbereich liebevoll und freundlich
gestaltet hat und damit einen kleinen Leuchtturm an Attraktivität in dieser Ödnis schuf, der aber
den Rest des Projekts ganz offensichtlich nicht retten kann?
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Antwort zu 5:
Die Aufenthaltsqualität und damit Attraktivität der Friedrichstraße konnte
gegenüber der Ausgangssituation durch das Projekt „Flaniermeile Friedrichstraße“
deutlich gesteigert werden.
Es stand allen Anrainerinnen und Anrainern während des Verkehrsversuchs frei, die
Straße durch eigene Sondernutzungen zu gestalten. Dabei wurden sie seitens des
Bezirks unterstützt. Das Angebot besteht weiterhin.
Frage 7:
Teilt der Senat die Auffassung des Anfragestellers, dass in solchen Straßen mannshohe, hässlich
gestaltete Werbetonnen, auf denen der Projektanbieter „Changing Cities“ Sichtpropaganda im
DDR-Stil anbringt, eigentlich nichts verloren haben, kontraproduktiv sind, angesichts des
fehlgeschlagenen Projekts zudem lächerlich und abstoßend wirken?
Antwort zu 7:
Nein. Die erwähnten Litfaßsäulen sind eine Maßnahme der Informationskampagne
der Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz zur
Mobilitätswende.
Frage 8:
Was hält der Senat von dem Gedanken, ähnlich wie am Ku’damm mit der AG City West oder in
der Spandauer Altstadt, mit den örtlichen Gewerbetreibenden die Kooperation zu suchen und
ihnen in möglichst breitem Rahmen die Gestaltung selbst zu überlassen, um Positivbeispiele wie das
„Frittenwerk“ zur Regel zu machen und die hässlichen, provisorischen, konzeptionslos und
zusammenhanglos wirkenden, dahingekleckerten Sammelsurien an Barrieren, Parklets, Schaukästen
und sonstigen Verkehrshindernissen, die momentan dort herumstehen, sämtlichst zu beseitigen?
Antwort zu 8:
Wie in der Antwort zu Frage 3 geschildert, findet bereits eine enge
Zusammenarbeit mit den Anrainerinnen und Anrainerinnen statt. Es besteht
weiterhin die Möglichkeit, sich derzeit und zukünftig in die Gestaltung einzubringen.
Die derzeit noch vorhandene temporäre Beschilderung, u.a. mit Gelbmarkierung
und Absperrschranken, ist straßenverkehrsrechtlich vorgegeben und entfällt,
sobald die Friedrichstraße dauerhaft teileingezogen ist.
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Frage 9:
Was hat dieses Projekt bisher an öffentlichen Finanzmitteln verbraucht und wie hoch sind die
laufenden Kosten derzeit pro Monat? Bitte aufschlüsseln nach Vorbereitungs- und Planungskosten,
Einmalkosten für die Errichtung und laufenden Kosten für Betrieb, Unterhalt, Wartung, Monitoring
und Reparaturen.
Antwort zu 9:
Die Gesamtkosten des Projekts teilen sich in folgende Projektbausteine:
· Verkehrliche Beschilderungs- und Markierungsarbeiten
· Gestaltung
· Projektevaluation
· Kommunikation.
Die damit verbundenen Kosten seit Projektbeginn verteilen sich im Einzelnen wie
folgt.
Verkehrliche Beschilderungs- und Markierungsarbeiten
Die bisher für die Einrichtung und Unterhaltung der angeordneten, verkehrlichen
Maßnahmen verausgabten Mittel belaufen sich auf 82.345,87 Euro.
Dazu werden noch zusätzliche Summen zur Abrechnung kommen, die derzeit
aufgrund fehlender Unterlagen noch nicht abschließend geprüft werden konnten
oder bis zur erfolgten Teileinziehung der Friedrichstraße noch anfallen werden.
Daraus kann abgeleitet werden, dass bis zur Teileinziehung voraussichtlich,
gerundete Kosten in Höhe von insgesamt ca. 150.000 Euro verausgabt sein
werden.
Gestaltung
Gestaltungsplanung und technische Umsetzung: 187.776 Euro
· Gestalterische und technische Dienstleistung für Planung und Organisation
vor Ort, Kommunikation mit Anrainerinnen und Anrainern und Unterstützung
bei individuellen Umsetzungs- und Genehmigungsverfahren
Parklets: 103.710 Euro
· Prüfung, Transport und Montage von zwei vorhandenen Parklets
· Planung, Miete, Transport sowie Auf- und Abbau von vier temporären
Parklets (aus Bühnenelementen) als zusätzliche, nicht-kommerzielle
Aufenthaltsmöglichkeiten im öffentlichen Raum
· Regelmäßige Reinigung der Parklets
Showcases: 48.000 Euro
· Prüfung, Transport und Aufbau von fünf Showcases aus dem Bestand des BA
Mitte als Präsentationsmöglichkeit für die Anrainerinnen und Anrainer
· Kauf, Transport und Aufbau von neun zusätzlichen Showcases (aufgrund sehr
großer Nachfrage)
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· Vandalismussicherung zu den Jahreswechseln
· Reparatur aufgrund von Vandalismus
Begrünung: ca. 93.800 Euro
· Kauf, Anlieferung, Abholung von 65 Bäumen
· Planung, Installation und Miete der Holzverkleidungen als Maßnahme zur
Standsicherheit und als Sitzgelegenheiten
· Bewässerung der Bäume
· Bepflanzung und Bewässerung der ab Frühjahr 2021 hinzugekommenen
Pflanzbeete
Zusätzliche Stadtmöbel: 156.195,83 Euro
· Beschaffung von zusätzlichen Sitzgelegenheiten mit Begrünung im Frühjahr
2021 und 2022
Reinigung Stadtmobiliar: 15.113 Euro
Stromversorgung: 123.889 Euro
· Planung, Einrichtung und Miete der Stromversorgung in der Friedrichstraße
(u.a. für Beleuchtung der Showcases sowie Aufbauten der Anrainerinnen
und Anrainer, wie z. B. Foodtrucks)
Weihnachtsbeleuchtung: 69.820 Euro
· Konzept und Installation der Weihnachtsbeleuchtung
· Stromversorgung für Weihnachtsbeleuchtung und Beleuchtung Showcases
(Ostseite)
Projektevaluation
Umwelteffekte: ca. 5.100 Euro
Es entstanden Kosten für Luftschadstoffmessungen durch sogenannte „NO2-
Passivsammler“:
Einrichtung von zwei zusätzlichen Standorten, die von Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern des BLUME (Berliner Luftgütemessnetz) durchgeführt wurde. Damit war
in 2020 ein einmaliger Personal- und Materialaufwand verbunden, der im
laufenden Betrieb und mit vorhandenen Materialien realisiert wurde. Die
zusätzlichen Standorte wurden Anfang 2022 stillgelegt. Dieser Rückbau war mit
einmaligen Personalaufwand verbunden, der ebenfalls im laufenden Betrieb
realisiert wurde. Kostenschätzung für Auf- und Abbau der Standorte: ca. 600 Euro.
Kosten für Passivsammler der Passam AG in 2020 und 2021 an 2 Standorten à 3
Röhrchen à 41 Doppel-Wochen (ab 16.06.2020 bis 12.01.2022): ca. 4.500 Euro.
Verkehrserhebungen und Verkehrsdatenauswertung: ca. 756.602 Euro
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Es wurden im Rahmen des Verkehrsversuchs insgesamt 13 Verkehrserhebungen im
Zeitraum 17.07.2020 bis 16.09.2021 durchgeführt. Bei dieser Beauftragung, welche
über einen bestehenden Rahmenvertrag abgewickelt wurde, war die
Datenerhebung, die Plausibilitätsprüfung der Daten und die Überführung der
Datensätze in geeignete Dateiformate enthalten. Die damit verbundenen Kosten
in Höhe von ca. 592.000 Euro werden somit über den bereits vorhandenen
Rahmenvertrag der Senatsverwaltung ohne zusätzliche finanzielle Bedarfe
abgedeckt.
Mit der Analyse und Auswertung dieser Daten sind Kosten in Höhe von ca. 165.000
Euro verbunden.
Befragung Passantinnen und Passanten: 11.401 Euro
· Konzipierung, Durchführung und Auswertung der Befragung zum
Nutzungsverhalten und zur Wahrnehmung der Flaniermeile Friedrichstraße
durch Honorarkräfte
Kommunikation
Öffentlichkeitsarbeit: ca. 1.000 Euro
· Infostand zur Eröffnung der Friedrichstraße
· Plakate in unterschiedlichen Varianten.
Information Anrainerinnen und Anrainer sowie Netzwerktreffen 1.398 Euro
· Durchführung von zwei Netzwerktreffen in Präsenz
· Postwurfsendung für Anwohnerinnen und Anwohner als Information zum
Projektauftakt im August 2020
Marketingkampagne 191.437 Euro
· Entwicklung und Umsetzung Marketingkampagne durch eine Agentur zur
Stärkung des Standorts für die gesamte Friedrichstraße und damit über das
Projekt „Flaniermeile Friedrichstraße“ hinaus.
Es konnten hierfür 108.328,32 Euro EFRE-Mittel aus bezirklichen Bündnissen für
Wirtschaft und Arbeit in Berlin, hier aus dem Förderprogramm Wirtschaftsdienliche
Maßnahmen (WdM), durch eine 50 %ige Ko-Finanzierung (Mittel der
Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe sowie Personal-Eigenanteil
Bezirksamt Mitte von Berlin) eingeworben werden.
Bei allen Kostenangaben handelt es sich um Brutto-Angaben.
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Derzeit anfallende monatliche Durchschnittskosten können frühestens nach
erfolgter Teileinziehung errechnet werden.
Berlin, den 26.04.2022
In Vertretung
Dr. Meike Niedbal
Senatsverwaltung für
Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz

www.berlin.de