Straßenverkehr: Verkehrsberuhigung mit Pollern und Baken – welche Handlungsspielräume gibt es?, aus Senat

www.berlin.de Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Gilt in Berlin die „#Richtlinie zur Anlage von #Stadtstraßen“- RASt 06 auch als Grundlage für die Aufstellung z.B. von #Pollern, nach der Poller in einem Abstand von 0,25m zum Fahrbahnrand aufgestellt werden können (vgl. RASt 06; Nr.7.4.1. #Absperrelemente)? Antwort zu 1: Gemäß den im Land Berlin geltenden Ausführungsvorschriften zu § 7 des Berliner Straßengesetzes über Geh- und Radwege (AV Geh- und Radwege) vom 16.05.2013 und den im Land Berlin verbindlich eingeführten Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen – RASt 06 der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e.V. betragen die seitlichen Sicherheitsräume neben fahrenden und haltenden Kraftfahrzeugen in der Regel 0,5m. Im Ausnahmefall bei Anwendung eingeschränkter Bewegungsspielräume können sie bis auf 0,25m reduziert werden. Die Bemessung mit eingeschränkten Bewegungsspielräumen setzt in der Regel geringe Geschwindigkeiten (≤ 40 km/h) und eine umsichtige Fahrweise voraus, die durch eine geeignete Gestaltung und verkehrsrechtliche Regelungen zu unterstützen sind. Inwieweit dieser Ermessensspielraum bei der Anordnung von Pollern im Seitenraum ausgenutzt wird, obliegt der Verantwortung des Straßenbaulastträgers. Aufgrund der Zuständigkeitsregelung des Allgemeinen Zuständigkeitsgesetzes (AZG) sind dies die Berliner Bezirke. Frage 2: Können Poller z. B. auch auf markierten Sperrflächen aufgestellt werden, um zur Entlastung der bezirklichen Ordnungsämter Falschparker von diesen Flächen abzuhalten? Antwort zu 2: Poller können Sperrpfosten und damit Verkehrseinrichtungen sein, wenn sie sich regelnd, sichernd oder verbietend auf den Verkehr auswirken. Auf Sperrflächen darf weder gefahren noch gehalten oder geparkt werden. Ein zwingendes Erfordernis im Sinne von § 45 Abs. 9 Satz 1 der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) zur Anordnung von Sperrpfosten auf Sperrflächen zur Vermeidung der Fahrzeugbenutzung besteht daher in der Regel nicht. Sperrflächen bilden Schutzzonen zum fließenden Verkehr, sie sind aber Teil der Fahrbahn. Zur Vermeidung unzulässiger Parkvorgänge, die sich verkehrsgefährdend auswirken können, können im Einzelfall auch auf Sperrflächen Sperrpfosten angeordnet werden. Frage 3: Teilt der Senat die Aussage, dass diagonal rot-weiß markierte Baken nach verkehrsbehördlicher Anordnung überall im Straßenraum – also auch ohne Schutzabstände auf der Fahrbahn – aufgestellt werden können? Antwort zu 3: Nein. Nach der Verwaltungsvorschrift (VwV-StVO) III. 13 b) zu den §§ 39 bis 43 StVO dürfen Verkehrszeichen nicht innerhalb der Fahrbahn aufgestellt werden. In der Regel sollte der Seitenabstand von ihr innerhalb geschlossener Ortschaften 0,50 m, keinesfalls weniger als 0,30 m betragen, außerhalb geschlossener Ortschaften 1,50 m. Frage 4: Wie beurteilt der Senat den Einsatz von Pollern und Baken zur Sicherung von Kreuzungen, Fahrbahnverschwenkungen und Fußgängerübergängen in verkehrsberuhigten Zonen (Zeichen 325), in denen es formal keine Trennung zwischen Gehwegen und Fahrbahnen geben sollte (gemeinsame Verkehrsfläche)? Gelten dort ebenfalls die in Frage 1 und 3 beschriebenen Anforderungen? Antwort zu 4: Mit Ausnahme von Parkflächenmarkierungen sollen in verkehrsberuhigten Bereichen keine weiteren Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen angeordnet werden. Frage 5: In einzelnen Berliner Bezirken bestehen offenbar Bedenken gegen den Einsatz der in Frage 1 – 4 angesprochenen Anwendung von Pollern und Baken, für die vor allem Haftungsfragen angeführt werden. Sind dem Senat aus den vergangenen Jahren Gerichtsurteile be- kannt, in denen das Land Berlin oder einzelne Berliner Bezirke von Fahrzeughaltern wegen Kollisionen mit Pollern oder Baken erfolgreich auf Schadenersatz verklagt worden sind? Wenn ja, wie häufig sind solche Klagen erfolgreich gewesen und in welcher Höhe musste von der öffentlichen Hand Schadenersatz geleistet werden (bitte tabellarisch dar-stellen)? Antwort zu 5: Dem Senat sind keine solchen Gerichtsurteile aus den vergangenen Jahren bekannt. Frage 6: Wie beurteilt der Senat den Einsatz von Fahrbahnschwellen und Fahrbahnkissen in Wohnstraßen (Tempo 30 Zonen) bzw. in verkehrsberuhigten Zonen? Frage 7: Hält der Senat Fahrbahnkissen für ein geeignetes Mittel, um Schrittgeschwindigkeit in verkehrsberuhigten Zonen zu erreichen? Frage 10: Was empfiehlt der Senat zur Verlangsamung des motorisierten Verkehrs in Tempo 30 Zonen bzw. in verkehrsberuhigten Zonen? Antwort zu 6, 7 und 10: Bei der Einrichtung der Tempo 30-Zonen in Berlin in den Jahren zwischen 1988 und 1992 hat die Straßenverkehrsbehörde gegenüber den bezirklichen Tiefbauämtern nach der damals geltenden Verwaltungsvorschrift zur StVO regelmäßig geeignete bauliche Maßnahmen zur Unterstützung eines einheitlichen Erscheinungsbildes angeregt. Dies waren in erster Linie Aufpflasterungen und Gehwegvorstreckungen in Kreuzungs- und Einfahrtbereichen. Durch die Straßenverkehrsbehörde wurden damals auf Wunsch vieler Tiefbauämter zur Kostenreduzierung auch andere Maßnahmen angeordnet. So wurde bei üppig breiten Fahrbahnquerschnitten eine Fahrgassenreduzierung durch Änderung der Parkordnung erreicht und die Gehwegvorstreckungen nur als Sperrflächen markiert. Die StVO und die Verwaltungsvorschrift wurden Ende 2000 modifiziert. Die Einrichtung und Ausdehnung von Tempo 30-Zonen ist im Rahmen einer flächenhaften kommunalen Verkehrsplanung wesentlich erleichtert worden. Seither regt die Straßenverkehrsbehörde straßenbauliche Veränderungen zur Temporeduzierung (z.B. Moabiter Kissen) in Tempo 30-Zonen nicht mehr an, der Einbau ist aber nicht ausgeschlossen. Die Entscheidung darüber obliegt dem Straßenbaulastträger, der im Rahmen seiner Verkehrssicherungspflicht darauf zu achten hat, dass solche Fahrbahneinbauten gefahrlos über- und umfahren werden können. Das schließt auch die möglichen Beeinträchtigungen für Rettungsfahrzeuge sowie Verund Entsorgung ein. Außerdem können die Einbauten Lärm beim Überfahren von Lkw verursachen, was wieder zu Beschwerden der Anwohnerinnen und Anwohner führen kann. Der Einbau wird deshalb in der Regel nur in wenigen Einzelfällen vorgesehen, wenn andere Maßnahmen eine angemessene Geschwindigkeit nicht sicherstellen können. Umfangreiche bauliche Maßnahmen u.a. durch einen niveaugleichen Ausbau in ganzer Straßenbreite werden nur noch bei verkehrsberuhigten Bereichen gemäß Zeichen 325 StVO erwogen. Die baulichen Maßnahmen zur Geschwindigkeitsdämpfung in Erschließungsstraßen sind in den Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen (RASt 06) geregelt. Frage 8: Wie sind die Erfahrungen des Senats bzw. aus den Bezirken bezüglich der Kosten, der Lebensdauer und der Akzeptanz für aus Steinen errichtete Fahrbahnkissen bzw. aus Kunststoff (idealer Weise Kautschuk) errichteten Fahrbahnschwellen? Frage 9: Gibt es bei den steinernen Fahrbahnkissen bzw. Fahrbahnschwellen Beschwerden z.B. wg. Fahrzeugschäden oder Lärmbelästigungen? Antwort zu 8 und 9: Zur Beantwortung der Fragen wurde eine Umfrage bei den Tiefbauämtern der Bezirke durchgeführt. Sie ergab folgende Hinweise: Die Kosten für die Herstellung von Fahrbahnkissen aus Pflastersteinen liegen je nach Art des verwendeten Pflasters bei etwa 65 bis 90 €/m2 zu bearbeitender Fahrbahnfläche, zuzüglich eventuell erforderlicher Umbauten von Einbauten in der Fahrbahn wie z.B. Entwässerungsschächte. Die Lebensdauer bei der Verwendung von Natursteinpflaster ist hoch. Der Einsatz von Fahrbahnschwellen wird dagegen aus mehreren Gründen abgelehnt. Zum einen sind aufgeklebte oder aufgedübelte Elemente auf der Fahrbahn ungeeignet, da sie bei maschinellem Winterdienst mit dem Räumschild beschädigt werden können. Zum anderen werden sie im Hinblick auf den Einsatz von Krankenfahrzeugen und der Feuerwehr abgelehnt. Hinzu kommen Belästigungen der Anwohner wegen Lärm und Erschütterungen durch das ständige Abbremsen und Beschleunigen. Auch wird bei Dunkelheit eine Gefahr insbesondere für den Zweiradverkehr gesehen. Beschwerden wegen Lärm liegen vereinzelt vor, Fahrzeugschäden sind dagegen nicht bekannt. Berlin, den 02. Oktober 2014 In Vertretung C h r i s t i a n G a e b l e r ………………………….. Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 08. Okt. 2014)