27.02.2024
Frage 1: Welche Erkenntnisse liegen dem Senat bezüglich der Wirkungen einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h im Vergleich zu Tempo 50 im Hinblick auf #Anhalteweg, #Aufprallstärke sowie der Wahrscheinlichkeit einer #Todesfolge bei #Kollisionen von #Radfahrenden und #Zufußgehenden mit #Kraftfahrzeugen vor?
Antwort zu 1: Die genannten Größen (Anhalteweg, Aufprallstärke und Verletzungswahrscheinlichkeit) sind nach allgemeinen technisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen abhängig von der #Fahrgeschwindigkeit eines Kraftfahrzeugs. Tempo 30 kann somit zu einer Verringerung schwerer Unfallfolgen beitragen.
Frage 2: Welche Erkenntnisse liegen dem Senat bezüglich der Wirkungen einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h im Vergleich zu Tempo 50 im Hinblick auf #Luftgüte allgemein, #Stickoxidbelastung, #Feinstaubbelastung und #Lärmemissionen vor?
Antwort zu 2: Tempo 30 kann insbesondere dann zu einer Verbesserung der Luftqualität beitragen, sofern damit eine Reduzierung von Beschleunigungsvorgängen erreicht wird. Für die Reduzierung der Belastung durch Stickstoffdioxid ergab eine Untersuchung an fünf innerstädtischen Hauptverkehrsstraßen in den Jahren 2018 bis 2020 ein Minderungspotenzial von etwa 2 µg/m³ für den Jahresmittelwert. Die Ergebnisse sind ausführlich in einem Abschlussbericht dargestellt. https://www.berlin.de/sen/uvk/_assets/verkehr/verkehrspolitik/tempobeschraenkungen/tempo 30.pdf?ts=1705017672. Auch die Belastung durch Partikel PM10 kann durch Tempo 30 gesenkt werden. Dabei wird in erster Linie der Abrieb von Reifen und die Aufwirbelung von Partikeln verringert. Auswertungen der PM10-Belastung an der Schildhornstraße ergaben nach der Anordnung von Tempo 30 Ende 2005 eine Reduzierung von etwa 2 µg/m³ im Jahresmittel. Die Absenkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 Kilometer pro Stunde auf 30 Kilometer pro Stunde bewirkt eine Verringerung des Mittelungspegels um 2 bis 3 Dezibel (Abewertet). Dies entspricht der Wirkung einer Verkehrsmengenreduzierung um rund 40 bis 50 Prozent. Darüber hinaus bewirken geringere Geschwindigkeiten eine Abnahme der Pegelschwankungen und der Maximalpegel.
Frage 3: Welchen Bearbeitungs- und Umsetzungsstand haben die im Lärmaktionsplan 2019-2023 angekündigten Konzepte für die Einführung von Tempo 30 tagsüber und nachts?
Antwort zu 3: Die Bearbeitung der im Lärmaktionsplan 2019-2023 angekündigten Konzepte für Tempo 30 tagsüber und nachts ist noch nicht abgeschlossen.
Frage 4: An welchen Straßenabschnitten wurde aufgrund dieser Konzepte Tempo 30 angeordnet?
Antwort zu 4: Eine straßenverkehrsrechtliche Anordnung kann erst nach Fertigstellung des Tempo 30Konzeptes erfolgen.
Frage 5: Aufgrund welcher Erkenntnisse beabsichtigt der Senat auf welchen Straßenabschnitten die Rücknahme der Anordnung von Tempo 30?
Antwort zu 5:
Die beabsichtigten Aufhebungen von Tempo 30 Anordnungen auf einzelnen Straßenabschnitten ergeben sich aus der Fortschreibung des Luftreinhalteplans.
Wenn durch eine Fortschreibung des Luftreinhalteplans die Grundlage für eine Anordnung von Geschwindigkeitsbeschränkungen gem. § 45 Abs. 9 Satz 6 StVO entfällt, muss die Straßenverkehrsbehörde diese Beschränkungen zurücknehmen.
Der Entwurf des Luftreinhalteplans für Berlin – 3. Fortschreibung wird derzeit bis 12. März 2024 zur Beteiligung der Öffentlichkeit ausgelegt:
Öffentliche Auslegung des Entwurfs „Luftreinhalteplan für Berlin – 3.Fortschreibung“ – Berlin.de In dem Planentwurf wird festgestellt, dass an den folgenden Straßenabschnitten die gesetzlichen Luftqualitätsgrenzwerte auch ohne Tempo 30 eingehalten werden können und damit die Anordnungsgrundlage „Luftreinhaltung“ entfällt:
- Albrechtstraße von Robert-Lück-Straße bis Neue Filandastraße
- Alt-Moabit* von Gotzkowskystraße bis Beusselstraße
- Breite Straße von Grabbeallee bis Mühlenstraße
- Brückenstraße* von Köpenicker Straße bis Holzmarktstraße
- Danziger Straße von Schönhauser Allee bis Schliemannstraße
- Dominicusstraße von Ebersstr. bis Hauptstraße
- Dorotheenstraße von Wilhelmstraße bis Friedrich-Ebert-Platz
- Elsenstraße von Treptower Park bis Karl-Kunger-Straße
- Erkstraße von Karl-Marx-Straße bis Sonnenallee
- Friedrichstraße* von Unter den Linden bis Dorotheenstraße
- Hauptstraße von Kleistpark bis Innsbrucker Platz
- Hermannstraße von Mariendorfer Weg bis Silbersteinstraße
- Hermannstraße* von Silbersteinstraße bis Emser Straße
- Invalidenstraße von Alexanderufer bis Scharnhorststraße
- Joachimsthaler Straße von Hardenbergplatz bis Kurfürstendamm
- Kaiser-Friedrich-Straße von Kantstraße bis Otto-Suhr-Allee
- Klosterstraße von Brunsbüttler Damm bis Pichelsdorfer Straße
- Leipziger Straße* von Leipziger Platz (Ost) bis Charlottenstraße
- Leonorenstraße von Bernkastlerstraße bis Kaiser-Wilhelm Straße
- Luxemburger Straße von Genter Straße bis Müllerstraße
- Mariendorfer Damm von Westphalweg bis Eisenacher Straße
- Martin-Luther-Straße von Lietzenburger Straße bis Motzstraße
- Oranienburger Straße von Roedernallee bis Wilhelmsruher Damm
- Oranienstraße von Moritzplatz bis Oranienplatz
- Potsdamer Straße von Potsdamer Platz bis Kleistpark
- Reinhardtstraße* von Charitéstraße bis Kapelle-Ufer
- Saarstraße von Rheinstraße bis Autobahnbrücke
- Scharnweberstraße von Kapweg bis Afrikanische Straße
- Stromstraße* von Bugenhagenstraße bis Turmstraße
- Tempelhofer Damm von Ordensmeisterstraße bis Alt-Tempelhof
- Torstraße von Prenzlauer Allee bis Chausseestraße
- Turmstraße von Stromstraße bis Beusselstraße
- Wildenbruchstraße von Sonnenallee bis Weserstraße
- Wilhelmstraße von Unter den Linden bis Dorotheenstraße
* ehemals Strecke mit zusätzlichem Dieseldurchfahrverbot
Vor Aufhebung der Tempo 30-Anordnung erfolgt eine Prüfung, ob andere Gründe für die Anordnung von Geschwindigkeitsbeschränkungen vorliegen. Diese Prüfung soll bis zur Verabschiedung des neuen Luftreinhalteplans vollständig abgeschlossen sein.
Frage 6: Bis wann ist mit der Entscheidung im Sinne der Frage 5. zu rechnen?
Antwort zu 6: Ein Beschluss des Luftreinhalteplans für Berlin – 3. Fortschreibung durch den Senat von Berlin wird bis Ende Juni 2024 angestrebt.
Frage 7: Wie gewährleistet der Senat die Umsetzung der Philosophie der Vision Zero, wenn künftig auf mehr Straßenabschnitten wieder Tempo 50 gelten soll?
Antwort zu 7: Die Vision Zero ist ein Ziel, dem sich Berlin nur durch langjährige gezielte Arbeit auf verschiedenen Tätigkeitsfeldern annähern kann. Die öffentlich in Rede stehenden Aufhebungen von Tempobeschränkungen ergeben sich aus den veränderten Anordnungsgrundlagen im Rahmen der Luftreinhalteplanung. Davon unabhängig haben die Anordnungsgründe aus Fragen der Verkehrssicherheit weiterhin Bestand. Geschwindigkeitsbeschränkungen als Folge eines Luftreinhalteplans werden nicht den Maßnahmen der Verkehrssicherheit zugerechnet, so dass auch deren Aufhebung nicht als Abkehr von entsprechenden Zielen gewertet werden kann. 4
Frage 8: Welche Erkenntnisse liegen dem Senat vor über die Ziele der Initiative Lebenswerte Städte und Gemeinden vor in der sich deutschlandweit über 1043 Städte, Gemeinden, Landkreise und ein Regionalverband organisieren?
Antwort zu 8: Die Initiative „Lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeiten – eine neue kommunale Initiative für stadtverträglicheren Verkehr“ zielt darauf den Bund aufzufordern, dass den Kommunen straßenverkehrsrechtlich mehr Gestaltungsfreiheiten für Geschwindigkeitsanordnungen zugestanden werden. Das Land Berlin ist der Städteinitiative im März 2022 beigetreten.
Frage 9: Welche Zielgruppe wird durch eine Temporeduktion auf Tempo 30 besonders geschützt? Bitte aufschlüsseln nach Alter und Nutzerinnen (Anwohner, Radverkehr, Fußverkehr, ÖPNV-Nutzerinnen und MIV)
Antwort zu 9: Die Schutzwirkung von Tempo 30 ergibt sich vor allem auf ungeschützt im Verkehr teilnehmende Personen. Konzeptionell sollten Maßnahmen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit derart gestaltet sein, dass alle Verkehrsteilnehmenden gleichermaßen davon profitieren können.
Berlin, den 26.02.2024
In Vertretung Britta Behrendt Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt
www.berlin.de