S-Bahn: Bedeutung des Mahnmals für die im Nationalsozialismus ermordeten europäischen Sinti und Roma in Europa für die Berliner Gedenkkultur und erinnerungskulturelle Arbeit des Berliner Senats im Kontext des Baus einer neuen Nord-Süd-Achse der Berliner S-Bahn, aus Senat

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Frage 1:
Wie erfolgte der Prüfprozess für die unterschiedlichen Varianten des Baus der neuen S-Bahntrasse S21 (neue
Nord-Süd-Achse)?
Frage 2:
Welche Varianten schieden aus welchen Gründen im Prüfprozess aus, die das Mahnmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma in keiner Weise beeinträchtigen würden?
Frage 3:
Welche Varianten wurden aus welchen Gründen letztlich präferiert?
Antwort zu 1 bis 3:
Die DB AG führt aus, dass im Rahmen der Vorplanung des 2. Bauabschnitts der S21 eine
Vielzahl von Varianten mit Untervarianten erarbeitet und hinsichtlich verschiedener
Kriterien, z. B. Wirtschaftlichkeit, baulicher Aufwand, Bauzeit, Berücksichtigung anderer
Bauwerke oder Umweltverträglichkeit, bewertet wurden. Die DB war sich dabei im Klaren,
in welch sensiblem Bereich sie die Planungen vornimmt.
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Die untersuchten Varianten wurden im Anschluss u. a. mit dem Eisenbahnbundesamt,
verschiedenen Bundesministerien, dem Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, dem
Land Berlin, der Bundestagsverwaltung und der Kommission des Ältestenrats des
Deutschen Bundestag (Baukommission) abgestimmt und diskutiert. Neben vielen anderen
Stakeholdern und Akteuren wurden der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden
Europas, die mit der Verwaltung des Denkmals für die im Nationalsozialismus ermordeten
Sinti und Roma Europas beauftragt ist, dem Zentralrat Deutscher Sinti und Roma sowie der
Familie des Denkmal-Architekten Dani Karavan die Trassierung der Vorplanung ebenfalls
vorgestellt. Im Verlauf des weiteren Prozesses und als Folge von Abstimmungen mit den
involvierten Akteuren wurden zusätzliche Trassenoptionen ergänzt. Alle Trassenvarianten
wurden erneut bewertet und gemeinsam mit den entsprechenden Akteuren hinsichtlich
einer möglichen Realisierbarkeit besprochen.
Nach der Bewertung der erarbeiteten und geprüften Varianten unter Beteiligung der
involvierten Akteure schied die übergroße Mehrzahl als realisierbare Optionen aus. Sie
waren zum Beispiel auf Grund der in diesem Bereich zahlreich existierenden unterirdischen
Bauwerke technisch nicht umsetzbar, sie hätten teilweise gravierende Verlängerungen der
Bauzeit und die langjährige Sperrung der Bestandstrecke der Nord-Süd-S-Bahn beinhaltet
oder sie hätte über eine mehrjährige Periode den Parlamentarischen Betrieb des
Bundestags erheblich beeinträchtigt. Die Baukommission des Deutschen Bundestages hat
unter den vorgestellten Varianten dem Streckenverlauf 12 h zugestimmt.


Frage 4:
Welche Beeinträchtigungen des Mahnmals für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma würden
sich bei Verwirklichung der Variante 12h ergeben?
Antwort zu 4:
Die DB AG erläutert, dass bei der Variante 12h die Fläche des Mahnmals für die im
Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma während der Bauphase untertunnelt und
das Erdreich vereist wird. So bleibt die Fläche des Denkmals auch während der Bauphase
weitgehend unberührt. Im Rahmen der Baumaßnahmen ist auf der Ostseite hinter der
ersten Baumreihe die Entfernung einiger Bäume und Büsche notwendig, die nach
Finalisierung der Arbeiten durch Neupflanzungen kompensiert werden können. Während
der Baumaßnahmen sind zudem Geräuschveränderungen nicht zu verhindern, wobei die
DB alle technischen Möglichkeiten zur entsprechenden Minimierung ausschöpfen wird.
Der für die Realisierung der Variante 12h notwendige Umbau des Zugangsschachtes des
Wasserbeckens, der für den regelmäßigen Tausch der Wildblume als zentralem Element
des Denkmals genutzt wird, kann bautechnisch innerhalb von vier Monaten realisiert werden
und zwar in Zeiträumen eines geringen Besucheraufkommens. Während der
Umbauarbeiten wird der tägliche Tausch der Wildblume sichergestellt. Die Detailplanung
wird eng mit den beteiligten Akteuren abgestimmt.
Frage 5:
Wie und mit welchem Ergebnis wurden die Verbände und Vertretungen der Sinti und Roma Berlins und der
Bundesrepublik bei den Debatten um die Variantenfindung eingebunden?
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Antwort zu 5:
Seit März 2020 hat Senatorin für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz zahlreiche (auch
bilaterale) Gespräche zur Streckenführung der S21 und der sich daraus ergebenden
möglichen Implikationen auf den Reichstag, die verschiedenen Denkmäler und hier
insbesondere auf das Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma
Europas geführt. Hieran waren einerseits Verbände und Vertretungen der Sinti und Roma
sowohl der Bundes- als auch Landesebene und darüber hinaus verschiedene Akteure
bzw. Vertreterinnen und Vertreter der unten stehenden Organisationen beteiligt. Die
Gespräche wurden in unterschiedlichen Zusammensetzungen geführt. Darüber hinaus
wurden zwei Vor-Ort-Begehungen realisiert.
Beteiligte Verbände, Organisationen und Stakeholder:
 Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien
 Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten
 Beratungsstelle für Sinti und Roma e.V.
 Bezirksbürgermeister und -stadträtin von Berlin-Mitte
 Deutsche Bahn AG
 Familie Karavan
 Hildegard Lagrenne Stiftung
 Landesverbände der Sinti und Roma
 Mitglieder des Berliner Abgeordnetenhauses der Koalitionsfraktionen
 Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages sowie weitere Mitglieder des
Bundestages
 Mitglieder des Europäischen Parlaments
 Präsident des Deutschen Bundestages
 Senatsverwaltung für Kultur und Europa
 Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas
 „Unser Denkmal ist unantastbar“ (Aktionsbündnis)
 Vorsitzender und Mitglieder der Bau- und Raumkommission des Deutschen
Bundestages
 Zentralrat Deutscher Sinti und Roma
Diese Gespräche wurden und werden im Geiste eines offenen Dialoges geführt und die
Anliegen aller Teilnehmenden gehört. In den bisherigen Gesprächen wurden die
vorgestellten Planungen gemeinsam bewertet, Maßnahmen zum maximalen Schutz des
Denkmals abgestimmt und in die Planungen integriert. Hierzu gehört unter anderem die
Sicherstellung des dauerhaften Zugangs zum Denkmal und die Gewährleistung des
täglichen Tauschs der Wildblume im Wasserbecken als zentralem Element des Denkmals.
Die Gespräche dauern an. Eine endgültige Entscheidung über die Trassenführung kann
nach Vorlage aller noch ausstehenden Gutachten getroffen werden. Diese sind
insbesondere ein Gutachten zu möglichen Erschütterungen sowie ein freiraumplanerisches
Gutachten.
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Frage 6:
Wie und mit welchem Ergebnis wurden die Künstler, die das Mahnmal schufen, bei den Debatten um die Variantenfindung eingebunden?
Antwort zu 6:
Im Juni 2020 wurde der Künstler Dani Karavan durch einen persönlichen Brief von der
Senatorin für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz über das Bauvorhaben zum 2. Bauabschnitt
der neuen S-Bahntrasse S21 informiert. Am 18. Dezember 2020 führte die Senatorin ein
persönliches Gespräch mit Dani Karavan im Rahmen einer Videokonferenz. Das
Nachfolgegespräch mit der Senatorin am 17. März 2021 wurde durch die Tochter des
Künstlers Noa Karavan übernommen. Nach dem Tod von Dani Karavan besuchte auf
Einladung der Senatorin Noa Karavan in Begleitung von Prof. Carmella Jacoby Volk, einer
Architektin ihres Vertrauens aus Israel, im Juni 2021 mehrere Tage Berlin. Es wurden ihr
die untersuchten Varianten vorgestellt, das Denkmal vor Ort mit der Senatorin und weiteren
Stakeholdern besichtigt und Gespräche mit den unterschiedlichen Akteuren organisiert.
Frage 7:
Zu welchen der von der Bahn als präferiert angesehenen und diskutierten Varianten der Trassenführung
gaben die Verbände, Vertretungen und Künstler explizit eine Zustimmung?
Antwort zu 7:
Zu der Variante 12h, der die Baukommission des Deutschen Bundestages zugestimmt hat,
erklärte der Zentralrat für Sinti und Roma in einer Presseerklärung vom 3. Februar 2021:
„Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma kennt die Notwendigkeit des Baus der neuen SBahnlinie S21; diese Linie ist notwendig für Berlin und die Menschen in Berlin. Die
deutschen Sinti und Roma sind selbstverständlicher Teil dieser Gesellschaft und deshalb
muß hier gemeinsam mit Bahn, Senat und dem Deutschen Bundestag eine sichere
Trassenführung gefunden werden. […] Der Bau der geplanten S-Bahn S21 wird nach den
technischen Auskünften und der Zusicherung der Deutschen Bahn das Denkmal für die im
Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas nicht gefährden. Für den
Zentralrat Deutscher Sinti und Roma muss bei allen Überlegungen die Sicherheit des
Denkmals auf jeden Fall gewährleistet sein. […] Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma
sieht in der letzten Version 12h, die die Bahn für die Trasse der S21 bereits am 25.
November 2020 vorgestellt hat, eine gute Grundlage für die weitere Planung. Vorgesehen
ist hierbei die Untertunnelung des gesamten Denkmal-Geländes; der Zugang zur Technik
unter dem Denkmal müsse allerdings zum Teil neu gebaut werden. Nachdem bereits neue
U-Bahnlinien das Brandenburger Tor tangierten, ohne irgendwelche Bauschäden zu
verursachen, geht die Deutsche Bahn davon aus, daß mit der angewandten
Vereisungstechnik gewährleiste, daß es keinerlei Schäden am Denkmal geben werde.“
(Quelle: https://zentralrat.sintiundroma.de/sicherheit-des-denkmals-fuer-die-imnationalsozialismus-ermordeten-sinti-und-roma-europas-muss-gewaehrleistet-sein/)
Es sind noch weitere Fragen verschiedener Akteure zu klären. Dabei werden durch die
Einbindung eines freiraumplanerischen Gutachters Kompensationsmaßnahmen für die
notwendige Entfernung einiger Bäume und Büsche analysiert bzw. visualisiert. Im Ergebnis
des Gutachtens sollen Gestaltungsmaßnahmen entwickelt werden, die eine für die
Besucherinnen und Besucher ansprechende und dem Denkmal angemessene
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Weiterentwicklung der Stadtbildqualität darstellen werden. Dieser Prozess soll mit allen
beteiligten Akteuren gemeinsam vollzogen werden.
Frage 8:
Welche grundsätzlichen Alternativen zur Trassenführung gäbe es, zu denen eine breite Zustimmung von den
Verbänden, Vertretungen und Künstlern zu erwarten wäre?
Frage 9:
Ist absehbar, dass es einen längeren Aufschub der Baumaßnahmen gibt, wenn keine Lösung zustande
kommt, die einerseits das Mahnmal unversehrt lässt und andererseits technisch machbar und finanziell
darstellbar ist?
Antwort zu 8 und 9:
Aufgrund der örtlichen Rahmenbedingungen im Regierungsviertel und dem zentralen
Bereich Berlins sind grundsätzlich andere Trassenführungen als die bisher geprüften
technisch nicht umsetzbar. Die Variante 12 h steht insbesondere deshalb im Fokus, weil die
Kommission des Ältestenrates für Bau- und Raumangelegenheiten des Bundestages in der
Vergangenheit stets zum Ausdruck gebracht hat, dass einem Trassenverlauf, der sehr nah
am Reichstag geführt oder gravierende Beeinträchtigungen des Parlamentsbetriebs
implizieren würde, nicht zugestimmt werden könne.
Der Senat ist bestrebt, bis zur Planfeststellung die genannten Anforderungen zu erfüllen.
Frage 10:
Welche Bedeutung hat das Mahnmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma in Europa für
die Berliner Gedenkkultur und erinnerungskulturelle Arbeit des Berliner Senats?
Frage 11:
Inwieweit sieht der Senat die Gesamtwirkung des Gedenk- und Erinnerungsortes mit seiner künstlerischen
Anlage als Waldlichtung und der Klanginstallation durch mögliche Baumfällungen während der Bauphase im
Kontext der Berliner Gedenk- und Erinnerungskultur oder fachlich-künstlerisch beeinträchtigt?
Antwort zu 10 und 11:
Zwischen 1933 und 1945 wurden Hunderttausende Sinti und Roma in Deutschland und
anderen europäischen Ländern verfolgt und ermordet. Das Denkmal des israelischen
Künstlers Dani Karavan, dessen Errichtung jahrzehntelange Diskussionen vorausgingen, ist
das Bekenntnis der Bundesrepublik Deutschlands für die Verantwortung am Porajmos, dem
Völkermord an den europäischen Sinti und Roma. Es wurde am 24. Oktober 2012
eingeweiht und wird von der bundesunmittelbaren Stiftung Denkmal für die ermordeten
Juden Europas betreut.
Das Denkmal ist ein zentraler Ort der Erinnerung und Trauer. Es wurde mit Bundesmitteln
errichtet, da es als Gedenkstätte von nationaler und internationaler Bedeutung eingestuft
ist. Das Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas ist
somit als nationale Gedenkstätte sowohl für die Berliner Gedenkkultur, die
erinnerungskulturelle Arbeit des Berliner Senats als auch der Bundesrepublik Deutschland
von zentraler Bedeutung.
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Der vom Künstler Dani Karavan entworfene Erinnerungsort besteht aus einem kreisrunden
Brunnen mit einem versenkbaren Stein, auf dem täglich eine frische Blume liegt, die nach
Aussagen des Künstlers sowohl das Leben, die Trauer als auch die Erinnerung der Sinti
und Roma symbolisieren. Um das Wasserbecken sind Steine mit den Namen der
Vernichtungsorte eingelassen. Darüber hinaus informieren Stehlen aus Glas um den
Erinnerungsort über Ausgrenzung und Massenmord an den Sinti und Roma während der
Zeit des Nationalsozialismus. Über die Installation von Lautsprechern wird dazu die für das
Mahnmal komponierte Melodie Mare Manuschenge von Romeo Franz eingespielt.
Frage 12:
Wie gewährleistet der Berliner Senat mit Blick auf die historische Verantwortung einen sensiblen Umgang mit
dem Mahnmal und dessen Unversehrtheit während der Bauphase sowie den uneingeschränkten Zugang und
die Sicherung seiner Funktion als zentraler Gedenk- und Erinnerungsort für die im Nationalsozialismus ermordeten europäischen Sinti und Roma?
Antwort zu 12:
Der Bedeutung des Denkmals sind sich das Land Berlin und die DB bewusst. Um das
Mahnmal maximal zu schützen, wurden umfangreiche Gespräche mit vielen Stakeholdern
in den vergangenen Monaten geführt und Anpassungen der Streckenführung sowie der
Bauweise vorgenommen.
Siehe hierzu Antworten 1-6.
Berlin, den 06.08.2021
In Vertretung
Stefan Tidow
Senatsverwaltung für
Umwelt, Verkehr und Klimaschutz