Straßenverkehr: Kiezparkhäuser, aus Senat

Frage 1:
In der Sitzung des Ausschusses für Umwelt, Verbraucher- und Klimaschutz am 1. September 2022 äußerte sich der Anzuhörende Prof. Hirschl positiv zum Thema #Kiezparkhäuser. Wie bewertet der Senat diese Idee?
Antwort zu 1:
Kiezparkhäuser sind ein berlinspezifischer Begriff für #Sammel- oder #Quartiersgaragen. Die damalige Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen hat Ende 2018 unter Mitwirkung der damaligen Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz einen Leitfaden für
#Quartiergaragen entwickelt1 . Bei den Fragen 1 bis 5 wird daher auf diesen verwiesen. Er beschränkt sich auf #Quartiersgaragen im Wohnungsneubau, wobei Kiezparkhäuser im Bestand und in Mischgebieten ähnliche Voraussetzungen und Empfehlungen mit sich bringen.


1 Information und Download Leitfaden Quartiersgaragen:
https://www.stadtentwicklung.berlin.de/wohnen/wohnungsbau/de/quartiersgaragen/index.shtml
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Mit Blick auf das ergänzende #Stellplatzangebot der öffentlichen #Parkhäuser und die bisherigen
Erfahrungen mit Quartiersgaragen wird des Weiteren auf die Antworten zur Schriftlichen Anfrage
Nr. 19/11739 vom 2. September 2022 verwiesen2
.
Quartiersgaragen bündeln Parkplätze für die Anwohnerschaft (Bewohnerinnen/Bewohner,
Besucherinnen/Besucher, Betriebe etc.) am Rand von Wohngebieten oder Kiezen. Dies kann sich
einerseits verkehrsberuhigend auf die betroffenen Kieze auswirken und Flächen freisetzen,
andererseits können durch eine Bündelung Kosten eingespart werden. Gleichzeitig müssen
Anwohnende ohne eigenen Pkw keine Stellplatzmiete bezahlen.
Als Teil eines Mobilitätskonzeptes können Quartiersgaragen zur Verkehrsentlastung der Kieze
beitragen. Sie können jedoch nur die Verkehrswende unterstützen, wenn sich die private PkwNutzung grundsätzlich reduziert.
Vor diesem Hintergrund werden Quartiersgaragen im Neubau grundsätzlich positiv gesehen,
sind jedoch im konkreten Kontext zu bewerten.
Frage 2:
Eines der erklärten Ziele dieser Koalition ist die gerechtere Verteilung des öffentlichen Straßenraums. Welchen
Beitrag könnten Kiezparkhäuser dazu leisten?
Frage 4:
Ein Vorteil von Kiezparkhäusern ist der Wegfall des Parkplatzsuchverkehrs, den Anwohner und besonders Parkplatz
suchende Schichtarbeiter als sehr belastend empfinden, vor allem wegen der anhaltenden Reduzierung von
Parkplätzen im öffentlichen Straßenraum bei gleichbleibendem Fahrzeugbestand. Welche Vor- und Nachteile sieht
der Senat beim Thema Kiezparkhäuser?
Frage 5:
Tiefgaragen können mit Grünflächen überbaut werden, Parkhäuser mit Pflanzen oder Solaranlagen bedacht und
durch Paketabholstationen oder Dienstleistungsbetriebe am Gebäude ergänzt werden. Welche anderen
Nutzungsmöglichkeiten sieht der Senat beim Bau von Kiezparkhäusern?
Frage 7:
Hält der Senat einen großflächigen Wechsel von Parkplätzen im öffentlichen Straßenraum hin zu Kiezparkhäusern
für eine Win-win-Situation? Wenn ja, was wird unternommen, um diesen Prozess in Gang zu bringen und dann zu
beschleunigen. Wenn nein, warum nicht?
2 https://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/19/SchrAnfr/S19-11739.pdf
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Antwort zu 2, 4, 5 und 7:
Die Fragen 2, 4, 5 und 7 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.
Zudem wird ergänzend auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen.
Die wachsende Stadt und der Trend hin zu größeren Fahrzeugen und neuen Mobilitätsformen,
aber auch der steigende Bedarf an Flächen für Klimaanpassung und Stadtgrün führen im
öffentlichen Raum zu wachsender Nutzerkonkurrenz. Bei einem hohen Rückbau von Parkflächen,
bspw. für die Schaffung sicherer Radwege, bietet sich als ersten Schritt die Prüfung einer
begleitenden Parkraumbewirtschaftung und eine gezielte Verlagerung auf freie Kapazitäten in
öffentlichen Parkhäusern oder privaten Tiefgaragen (Bestand) an. Bisweilen eignet sich für
bestimmte Bedarfe, die mit einer seltenen Pkw-Nutzung einhergehen, neben Carsharing auch
das „Walkable parking“, bei dem ein gewisser Fußweg oder kurze ÖPNV-Wege bis zum neuen
Parkplatz berücksichtigt werden.
Sind keine privaten Parkkapazitäten vorhanden und ist der Wegfall von Parkflächen hoch, ist die
Bewertung abhängig vom lokalen ÖPNV-Angebot, von der Zahl der vom Pkw abhängigen
Anwohnerschaft, den Kosten für Erschließung und Betrieb neuer Parkhäuser, verfügbaren Flächen
und letztlich der Zahlungsbereitschaft der Zielgruppen.
So bot bspw. der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg im Rahmen der Pop-up Radwege
vergünstigtes Dauerparken in örtlichen Parkhäusern an. Das Angebot wurde trotz sehr günstiger
Bedingungen kaum genutzt. Grund hierfür ist, wie auch Studien aus anderen Kommunen
bestätigen, eine fehlende Zahlungsbereitschaft, welche u.a. durch den hohen Anteil an
kostenlosem Parkraum und günstigen Bewohnerparkausweisen in Berlin entstanden ist.
Ein großflächiger Wechsel vom Straßenparken hin zum exklusiven Parken in Kiezparkhäusern wird
auf Grund der in Berlin sehr unterschiedlichen Gebietsstrukturen und mit Blick auf fehlende
Flächen, hohe Kosten für die Allgemeinheit und eine unzureichende Unterstützung der
Verkehrswende nicht angestrebt.
Sinnvoll sind zudem nur Anlagen, die langfristig zurückgebaut oder anderwärtig genutzt werden
können. Dies geht jedoch häufig mit zusätzlichen Kosten einher, ebenso wie Begrünung,
Mischnutzung und zusätzliche Serviceleistungen, die grundsätzlich willkommen sind (siehe
Leitfaden Quartiersgaragen).
Frage 3:
Prof. Hirschl betonte vor allem die Möglichkeit, in Kiezparkhäusern gebündelt Ladeinfrastruktur zur Verfügung zu
stellen, um bei einem weiteren Senatsziel voranzukommen, dem Ausbau der E-Mobilität. Sieht der Senat hier
Potenziale für Kiezparkhäuser in schon bestehenden Wohnquartieren, sei es in Form von Tiefgaragen oder als
Garage im Hochbau? Was können Kiezparkhäuser hier leisten gegenüber dem sehr schleppenden und Kaufanreiz
tötenden Ausbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur?
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Antwort zu 3:
Der Senat begrüßt die Unterstützung bei der Schaffung öffentlich-zugänglicher oder privater
Ladeinfrastruktur auf privatem Grund ausdrücklich, da auch in Zukunft der überwiegende Teil
des Ladebedarfs auf den privaten Grund entfallen wird. Der öffentliche Raum wird, trotz der
bislang sehr guten Ladeinfrastrukturentwicklung und des weiterhin ambitionierten Ausbaus durch
den Senat, nicht in der Lage sein die Nachfrage nach Ladeinfrastruktur befriedigen zu können.
Auch in Berlin gibt es bereits einige private Initiativen Parkhäuser mit Ladeinfrastruktur
auszustatten, jedoch stellt hier die Investition in die Ertüchtigung der Netzanschlüsse
insbesondere für die Unternehmen der Wohnungswirtschaft aber auch für den lokalen
Netzbetreiber eine große Herausforderung dar. Einschränkend muss jedoch festgehalten
werden, dass das Potential für die Schaffung von Ladepunkten in Kiezparkhäusern im Vergleich
zu anderen Städten in Berlin gering ausfällt (fehlende Flächen in gründerzeitlichen Kiezen,
begrenzte Entwicklungsvorhaben, Großwohnsiedlungen mit Vielzahl an öffentlichen
Parkständen).
Frage 6:
Kiezparkhäuser können von der Privatwirtschaft oder kommunaler Hand gebaut werden und die Stellplätze an die
Nutzer verkauft oder vermietet werden. Welches Modell bevorzugt der Senat?
Antwort zu 6:
Das Land Berlin besitzt keine eigenen öffentlichen Parkhäuser und somit auch keine bestehende
Betreiberstruktur. Neben Flächenknappheit und begrenzter Zahlungsbereitschaft zukünftiger
Nutzenden, stellt das Betreibermodell eine große Herausforderung von Kiezparkhäusern dar
(siehe auch Fußnoten 1 und 2).

Berlin, den 14.09.2022
In Vertretung
Dr. Meike Niedbal
Senatsverwaltung für
Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz

www.berlin.de