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bbmv20110811.html
(Berlin, 11. August 2011) 1. Vor dem Hintergrund des erneuten
Leistungseinbruchs der S-Bahn Berlin im Winter 2010/11 haben die Länder
Berlin und Brandenburg als Besteller des S-Bahn-Verkehrs und die DB AG im
Februar 2011 die Einrichtung von zwei Experten-Arbeitskreisen unter
Teilnahme von unabhängigen, von den Ländern bestimmten Bahntechnik-Experten
beschlossen. Das gemeinsame Interesse bestand in der technischen und
wirtschaftlichen Bewertung der von der S-Bahn Berlin ergriffenen und
geplanten Maßnahmen zur dauerhaften Erhöhung der Fahrzeugverfügbarkeit
durch unabhängige Experten, sowie in der Identifizierung zusätzlicher
erfolgversprechender Lösungswege zur schnellstmöglichen Erhöhung und
dauerhaften Sicherung einer vertragsgerechten Fahrzeugverfügbarkeit der
S-Bahn.
2. Von März bis Juli 2011 haben die Arbeitskreise in umfassender Weise alle
fahrzeug- und infrastrukturseitigen technischen Problemfelder sowie ihre
Auswirkungen auf die Verfügbarkeit der Fahrzeug-Flotte sowie das
vertragliche Leistungsangebot untersucht. Des Weiteren wurden die
eingeleiteten Maßnahmen zur technischen Verbesserung der Fahrzeuge
beurteilt und einzelne ergänzende Maßnahmen beschrieben. Im Ergebnis liegen
nunmehr umfassende Handlungsempfehlungen der Experten zur Umrüstung und
Nachrüstung der S-Bahn-Fahrzeuge (aller Baureihen) vor, die die Planungen
der S-Bahn weitgehend bestätigen. Der zweite Arbeitskreis hat sich mit
Maßnahmen zur Erhöhung der Zuverlässigkeit der Infrastruktur bei extremen
Winterbedingungen beschäftigt. Er hat Vorschläge zur Nachrüstung
spezifischer technischer Komponenten an durch Witterungseinflüsse besonders
anfälligen Teilen der Netzinfrastruktur sowie zur weiteren Verbesserung der
Organisation des Winterdienstes erarbeitet, deren zeitgerechte Umsetzung
von der DB Netz AG zugesichert wurde. Diese Maßnahmenkataloge dienen
künftig als Grundlage für das Umsetzungscontrolling durch Bahn und Länder.
3. Folgende wichtigen Ergebnisse sind hervorzuheben:
Technische Problemfelder: Insgesamt wurden ca. 25 unterschiedliche
Problemfelder bei den drei in Betrieb befindlichen Baureihen identifiziert,
untersucht und beurteilt. Für die überwiegende Zahl der Probleme wurden
technische Lösungen entweder bestätigt oder neue Vorschläge entwickelt;
überwiegend sind diese in der Umsetzung. Für wenige offen gebliebene
Probleme (insbesondere Radsatzlenker, Führerstandskühlung) müssen
unverzüglich technische Lösungen unter Einbeziehung der Bahnindustrie
herbeigeführt werden. Für einzelne andere Themen ist auch aus Sicht der
Experten derzeit keine grundsätzliche konstruktive Lösung absehbar. Die
technische Verlässlichkeit ist nur durch entsprechend erhöhten
Instandhaltungsaufwand zu verbessern. Ein Beispiel dafür ist die
Konstruktion der Fahrmotore bei der Baureihe 481.
Die von der S-Bahn bisher vorgesehenen Maßnahmen sind aus Sicht der
Experten bezüglich Inhalt und Umfang angemessen.
Instandsetzung und Instandhaltung: Seit 2009 hat die S-Bahn einen
Strategiewechsel hin zur vorbeugenden Instandhaltung vollzogen. Für alle 3
Fahrzeug-Baureihen werden künftig Instandhaltungs-Handbücher erstellt, die
den Sollzustand der Fahrzeuge in standardisierter Form zusammenfassen. Dies
schließt die definierten Prüfintervalle und Fristen ein, z. B. für den
Fahrmotorenaustausch. Diese Handbücher bilden dann die Grundlage sowohl für
die sog. „betriebsnahe“, als auch die „schwere“ Instandhaltung. Außerdem
sind der Aufbau zusätzlicher Werkstattkapazitäten – wie beispielsweise die
Wiedereröffnung des Werkstattstandortes Friedrichsfelde – und die
Einstellung zusätzlichen Personals vorgesehen bzw. im Gange.
Das Instandsetzungs- und Instandhaltungsmanagement folgt der Zielsetzung,
die Zahl der für den Betrieb verfügbaren Viertelzüge sowohl aktuell als
auch langfristig zu maximieren. Deshalb soll die überwiegende Zahl der noch
erforderlichen Umrüstungsmaßnahmen im Rahmen der planmäßigen
Instandhaltungsstufen durchgeführt werden. Die Planungen für das
Instandhaltungsmanagement sind nach Auffassung der Experten sachgerecht,
zielgerichtet, angemessen und mit den genannten zusätzlichen Ressourcen
realisierbar. Die Instandsetzungsstrategie wird als „bester Kompromiss“
unter den gegebenen Rahmenbedingungen bezeichnet.
Entwicklung der Fahrzeugverfügbarkeit: Die Abarbeitung der vorgesehenen
umfangreichen Umrüstungsmaßnahmen wird auch nach Auffassung der Experten
teilweise erst bis Ende 2012 sinnvoll abgeschlossen werden können, da
andernfalls zwischenzeitlich dem Fahrbetrieb zu viele Fahrzeuge entzogen
werden müssten. Dennoch ist nach Auffassung der Experten im kommenden
Winter 2011/12 mit einer deutlich erhöhten technischen
Fahrzeug-Verfügbarkeit auch unter winterlichen Extremverhältnissen zu
rechnen. Nach Ansicht der S-Bahn ist es allerdings auch weiterhin
risikobehaftet, die vertraglich gesetzte Zahl von 575 Fahrzeugen dem
Betrieb verfügbar zu machen. Ein Grund sind derzeit offene Fragen zum
Weiterbetrieb der Radsätze / Radsatzwellen in allen Fahrzeug-Baureihen. Im
Fall ggf. notwendiger verkürzter Untersuchungsintervalle würden weitere
Fahrzeuge dauerhaft in der Instandhaltung gebunden und würden somit dem
Betrieb nicht zur Verfügung stehen. Nach Auffassung der Länder sind hier
bahnseitig zusätzliche Anstrengungen zu unternehmen, um die vertragsgemäße
Fahrzeug-Zahl zur Verfügung zu stellen.
Nutzungsdauer der Fahrzeuge: Unter Voraussetzung der Umsetzung aller
beschriebenen Maßnahmen einschließlich der vorbeugenden Instandhaltung sind
die Fahrzeuge aller Baureihen technisch weitgehend uneingeschränkt bis zum
Ende des laufenden Verkehrsvertrags (Ende 2017) einsetzbar. Bezüglich der
Beurteilung einer Nutzungsdauer über 2018 hinaus kommen die Experten unter
Berücksichtigung technischer und wirtschaftlicher Kriterien zu dem
Ergebnis, dass die (jüngste) Baureihe 481/482 für eine volle
Restnutzungsdauer von im Durchschnitt 29 Jahren tauglich ist. Ein
vorzeitiger Ersatz vor Erreichung der Nutzungsgrenze wird von den Experten
nicht empfohlen.
Für die Baureihen 480/485 wäre aus wirtschaftlicher Sicht nach 2017 eine
Ablösung durch neue Fahrzeuge sinnvoll. Unter bestimmten Voraussetzungen
ist aber auch ein befristeter Weiterbetrieb für eine Übergangszeit
wirtschaftlich vertretbar. Weitere Voraussetzung ist, dass die dafür
notwendigen technischen Lösungen umsetzbar sind und ein Einvernehmen mit
dem Eisenbahnbundesamt erreicht werden kann.
Funktionssicherung der Infrastruktur: Die Analyse technischer
Schwachstellen der Infrastruktur unter besonderen Winterverhältnissen hat
Probleme bei Weichen, Weichenheizungen und Streckenanschlägen des
Fahrsperrenssystems, die Analyse organisatorischer Schwachstellen insgesamt
sechs Themen (u. a. bei der internen Kommunikation, den Personalkapazitäten
und bei der Ausbildung) identifiziert. Für alle Handlungsfelder wurden
Maßnahmen und eine Zeitplanung zu ihrer Umsetzung bis spätestens Ende
November 2011 verabredet.
Ein verbleibendes Restrisiko sieht die Bahn trotz Einstellung zusätzlichen
Bahn-Personals bei der umfassenden Gestellung der Sicherungsleistungen für
die Räumarbeiten in den Weichen bei extremen Winterverhältnissen. Die
Länder halten die identifizierten Maßnahmen für sachgerecht und
zielführend.
Herausgeber: DB Mobility Logistics AG