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Der neue Schönefelder Flughafen wird rund sieben Monate später eröffnet als zuletzt angekündigt. Nicht am 30. Oktober 2011, sondern am 3. Juni 2012 soll dort erstmals ein Flugzeug mit Passagieren abheben. Der künftige Flughafen Berlin Brandenburg wird außerdem anfangs weniger Sicherheitsschleusen haben. Damit nicht genug: Noch vor der Eröffnung muss das Terminal bereits erweitert werden. Für das gesamte Bauvorhaben fallen Mehrkosten in Höhe von 112 Millionen Euro an – und die Verschiebung der Eröffnung beschert der Flughafengesellschaft Einnahmeausfälle, die sie derzeit auf 26 Millionen Euro beziffert. Das teilte der Vorsitzende des Flughafen-Aufsichtsrats, der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), am Freitag mit. Die Negativ-Nachrichten schienen ihn aber nicht zu betrüben. Der Airport „ist und bleibt eine Erfolgsgeschichte“, sagte er.
„Bei vergleichbaren Projekten sind jahrelange Verzögerungen und Kostenexplosionen die Regel. Davon sind wir weit entfernt“, so Wowereit. Die Hamburger hätten größere Probleme, pflichtete Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) bei. Die Elbphilharmonie zeige, „wie ein Projekt aus dem Ruder laufen kann.“ Allerdings habe der Aufsichtsrat die Flughafen-Geschäftsführung nun gebeten, „beim Controlling nachzulegen“.
Auf diesem Feld liege offenbar einiges im Argen, hatten Kritiker bemängelt. Die CDU legte am Freitag nach. „Die monatelange Unklarheit im Hintergrund und die wochenlange Diskussion über mögliche Verzögerungen“ gehen auf Wowereits „Konto als Aufsichtsratschef. Es ist sein Versagen“, sagten Landes- und Fraktions-Chef Frank Henkel und der Verkehrspolitiker Oliver Friederici. Wowereit müsse dafür Sorge tragen, dass der Flughafen am 30. Oktober 2011 öffnet.
„An den Haaren herbeigezogen“
„Es wäre zu riskant, diesen Termin zu halten“, sagte dagegen der Regierende Bürgermeister. Zwar lege er Wert darauf, dass „Druck auf dem Kessel“ bleibt und der Bau zügig vorangetrieben wird. Doch es müsse auch genug Zeit geben, damit das Projekt mit der erforderlichen Qualität verwirklicht werden kann. Vor allem aus zwei Gründen wäre es risikoreich, an dem bisherigen Termin festzuhalten, bekräftigte die Flughafen-Geschäftsführung.
Zum einen war es zu „Planungsverzügen“ gekommen, weil die IGK-IGR Ingenieurgesellschaft Kruck am 8. Februar Insolvenz angemeldet hatte. Sie war für die Planung der technischen Ausrüstung des zentralen Terminals zuständig, die damit in Rückstand geriet. Nachdem Projektsteuerer den Fall analysiert hatten, teilten sie den Flughafen-Chefs am 19. Mai mit, dass die Planerpleite den Zeitplan ernsthaft gefährdet.
Zum anderen lasse eine Verordnung der Europäischen Kommission, die am 9. April erlassen wurde und am 29. April in Kraft trat, wieder Flüssigkeiten im Handgepäck zu – von Ende April 2013 an. Am 25. Mai habe die Bundespolizei mitgeteilt, was das für das Bauprojekt mit dem Arbeitstitel Berlin Brandenburg International (BBI) bedeutet: Die neuen Kontrollgeräte, die Flüssigkeiten erkennen, brauchen doppelt so viel Platz wie heutige Scanner. Umplanungen sind notwendig.
„Damit die Verzögerung zu rechtfertigen, ist an den Haaren herbeigezogen“, konterte der Berliner Europa-Abgeordnete Joachim Zeller (CDU). „Die Diskussion um Sicherheitsfragen und den damit verbundenen Technikeinsatz dauert bereits seit 2006 an. Eine vorausschauende Planung hätte das längst berücksichtigen müssen.“ Ein Airline-Manager bekräftigte, dass seit 2008 absehbar war, dass das Verbot von größeren Flüssigkeitsmengen im Handgepäck fällt und neue Kontrollgeräte größer ausfallen werden.
32 statt 36 Sicherheitsschleusen
Wenn der Flughafen 2012 öffnet, wird sowohl alte als auch neue Technik bei der Handgepäckkontrolle eingesetzt, sagte Flughafen-Chef Rainer Schwarz. Anstelle der bisher geplanten 36 „Sicherheits-Kontrolllinien“ wären dann nur 32 möglich. Staus erwartet er aber nicht. Stündlich könnten bis zu 4 500 Fluggäste kontrolliert werden.
Von April 2013 an könnten 5 500 Passagiere pro Stunde durchgeschleust werden. Dann sollen die Pavillons links und rechts vom Terminal fertig sein, die zusätzlichen Platz für weitere neue Gepäckkontrollgeräte schaffen. Dank der beiden Zusatzgebäude, die bisher nicht vorgesehen waren, werde es künftig 36 „Kontrolllinien“ geben. Die Pavillons kosten 40 Millionen, die nötigen Bau-Anpassungen im Terminal zehn Millionen Euro.
Damit der neue Eröffnungstermin gehalten werden kann, werden für Beschleunigungsmaßnahmen 62 Millionen Euro fällig. Zudem muss die Flughafengesellschaft auf 26 Millionen Euro verzichten – weil erwartete Airline-Gebühren, die voraussichtlich höher als bisher ausfallen, und Mieteinnahmen später fließen. Am Finanzierungsrahmen des Gesamtprojekts (3,27 Milliarden Euro) ändere sich nichts, versicherte Schwarz: „Dafür haben wir Reserven im Budget geschaffen.“
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Kostenexplosion drohte
Am 30. Oktober 2011 soll der neue Flughafen öffnen. Das sagten die Verantwortlichen seit 2006 bei jeder Gelegenheit. Auch am 7. Mai 2010, beim Richtfest.
Erst seit dem 25. Mai stehe fest, dass der Zeitplan in Gefahr ist, sagen die Planer. Kritiker entgegnen, dass sich die Probleme schon vorher abzeichneten.
„Kein Problem“: So kommentierte Oliver Aust von Easyjet die Verschiebung des Eröffnungstermins. Eine Inbetriebnahme während der kalten Jahreszeit hätte Schwierigkeiten bringen können. Für die Airlines gelten die bisherigen Gebühren weiter.
Ein Schlappe sei die Verschiebung für Klaus Wowereit, sagen Ramona Pop und Volker Ratzmann (Grüne). Doch ein Festhalten am alten Termin hätte zu einer Kostenexplosion geführt.
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Foto: So soll er aussehen: der geplante Pavillon Nord rechts neben dem Flughafen-Terminal. Links davon entsteht ein ebenfalls rund zehn Meter hohes Pendant.