Bahnverkehr: Eine Nacht im Zug, die Hoffnung macht, aus Der Tagesspiegel

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Am Donnerstag um 17 Uhr 04 verlässt Julia P., 21, Dresden. Sie will mit der Bahn nach Berlin fahren, um ihren Vater zu besuchen. Der bekommt in dieser Nacht die folgenden SMS-Nachrichten:

17 Uhr 50: Der Zug steht. Der Ort heißt Elsterwerda. Weiß nicht, wann’s weitergeht. Schaffner sagt, bis Berlin kommen wir auf jeden Fall noch.

19 Uhr 49: Es blitzt und donnert. Hagel. Warum habe ich bloß keinen früheren Zug genommen?

20 Uhr 12: Durchsage: Wir fahren nicht mehr weiter. Und, ganz schön zynisch: Die Fahrscheine behalten auch morgen ihre Gültigkeit.

23 Uhr 09: Versuche jetzt zu schlafen.

23 Uhr 49: Jemand hat hier ein Handyradio. Höre ich recht? In Berlin am Hauptbahnhof hat sich ein Stahlträger verabschiedet? Man munkelt, wir könnten da selbst morgen nicht einfahren. Hier windstill, alle haben Tee gratis bekommen.

Freitag, 5 Uhr 50: Jetzt bin ich schon zwölf Stunden in Elsterwerda. Nichts bewegt sich. Niemand teilt irgendwas mit. Jemand sagt, wir fahren, wenn es hell wird. Aber seit Stunden kein Schaffner.

6 Uhr 45: Wir fahren. Sehr langsam allerdings. Melde mich, wenn Berlin erreichbar scheint.

7 Uhr 49: Alle Bahnhöfe sind tot. Die schmeißen uns gleich in Schönefeld raus. Soll ich dann die S-Bahn nehmen?

8 Uhr 25: Bin jetzt in der S-Bahn. Komisch, alle sind auf einmal ganz fröhlich und gut gelaunt.

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