Straßenbahn: Warum und wo bremst die Verkehrslenkung Berlin die Tram aus?, aus Senat

http://www.parlament-berlin.de:8080/
starweb/adis/citat/VT/16/KlAnfr/
ka16-11448.pdf

Drucksache 16 /11 448

Kleine Anfrage

16. Wahlperiode

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Claudia Hämmerling (Bündnis 90/Die Grünen) und des
Abgeordneten Daniel Buchholz (SPD)
vom 22. November 2007 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 26. November
2007) und Antwort

Entschleunigung statt Beschleunigung warum und wo bremst die
Verkehrslenkung Berlin die Tram aus?

Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie
folgt: Frage 1: An wie vielen Lichtsignalanlagen ist es technisch
möglich, der Straßenbahn bei der Ampelschaltung auf deren Anforderung
Vorrang zu gewähren?

Antwort zu 1.: Von insgesamt 299 Lichtzeichenanlagen (LZA), die sich im
Zuge von Tram-Linien befinden, können 285 durch den ÖPNV beeinflusst
werden.

Frage 2: Welche Investitionskosten waren und sind mit der Umstellung auf
die Vorrangschaltung für die Straßenbahn verbunden? Antwort zu 2.: Die
Investitionskosten betrugen bisher 37,53 Mio. .

Frage 3: Welche Effizienzsteigerungen und Einsparungen sind mit der
Ampelvorrangschaltung verbunden?

Antwort zu 3.: Die BVG ermittelte Einsparungen von 15 Zügen und
Personaleinsparungen von 36 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, das
entspricht 3,25 Mio. pro Jahr.

Frage 4: Wie viele dieser Lichtsignalanlagen sind durchschnittlich auf
Festzeitsteuerung umgestellt, so dass keine Vorrangschaltung für die
Straßenbahn besteht?
Frage 5: Wie viele dieser Lichtsignalanlagen sind zur Zeit auf
Festzeitsteuerung umgestellt und können somit nicht von Straßenbahnen
zugunsten einer höheren Geschwindigkeit und einer besseren
Energieeffizienz des ÖPNV beeinflusst werden?

Frage 6: Wie hoch ist demzufolge der wirtschaftliche Nachteil für die BVG?

Antwort zu 6.: Der BVG liegen dazu keine aktuellen Zahlen vor.

Frage 7: Warum wurde wann welche dieser Lichtsignalanlagen in die
Festzeitsteuerung gegeben, und bis wann sollen die jeweiligen Ampeln in
der Festzeitsteuerung betrieben werden?

Antwort zu 4., 5. und 7.: Nur in begründeten Fällen oder bei Störungen
werden Festzeitpläne gesendet. Gegenwärtig laufen 37 Anlagen in
Festzeitsteuerung. Infolge von Baumaßnahmen sind aktuell die Anlagen
Greifswalder Straße/Danziger Straße Prenzlauer Allee/ Danziger Straße
Wisbyer Straße/Neumannstraße – Stahlheimer Straße
Alexanderstraße/Gleisquerung Torstraße (Gormannstraße) und Fürstenwalder
Damm/Salvador-Allende-Straße ohne Straßenbahnbeeinflussung. Die Dauer
dieser Umschaltung ist von der Bauzeit abhängig. Nach Beendigung der
Baumaßnahmen wird die ÖPNV-Beschleunigung wieder in Betrieb genommen.
Weitere Festzeitsteuerungen werden aus verschiedenen Gründen geschaltet.
Teilweise befinden sich LZA, wie zu 10. beschrieben, wegen
unbefriedigender Steuerungen in der Überarbeitung.

Frage 8: Wie berücksichtigt die Verkehrslenkung bei Ihren Entscheidungen
zugunsten von Festzeitsteuerungen die verkehrspolitischen Prioritäten
des Berliner Senates zugunsten des ÖPNV?

Antwort zu 8.: Grundlage für alle Beschleunigungsmaßnahmen des ÖPNV ist
der Senatsbeschluss zur ÖPNV-Beschleunigung, der für die Verkehrslenkung
Berlin bindend ist. Ziel ist es, dass für die Fahrgäste spürbare
Verbesserungen durch Schnelligkeit und Pünktlichkeit wirksam werden.
Dieses Ziel wird soweit möglich auch bei Anlagen in Festzeitsteuerung
verfolgt. Für Baustellen-LZA wird eine ÖPNV-Beschleunigung aus
Kostengründen nur dann in Betracht gezogen, wenn die Straßenbahnen
während der Bauphasen kontinuierlich fahren und die jeweiligen
Bauzustände wesentlich länger als 3 Monate konstant bleiben.

Frage 9: Welchen Sinn hat die Festzeitsteuerung einer Ampel an einem
Fußgängerüberweg in der Bornholmer Straße?
Antwort zu 9.: Eine derartige Festzeitsteuerung ist nicht gegeben.

Frage 10: Weshalb sind in der Seestraße sämtliche
Straßenbahn-Ampelvorrangschaltungen, darunter auch Ampeln an
Fußgängerüberwegen, mit der Begründung außer Betrieb gesetzt worden,
dass der Tegeltunnel gesperrt ist?
Antwort zu 10.: Für die Ausweichstrecken im Zusammenhang mit der
Sperrung des Tunnels Flughafen Tegel sind lediglich sieben LZA im
Bereich von Seestraße/Müllerstraße bis Seestraße/ Dohnagestell in
Festzeitschaltung geschaltet worden, um dem Umleitungsverkehr aus der
Nebenrichtung ausreichende Grünzeit zu gewähren. Im übrigen Abschnitt
war es wegen einer durch die BVG veranlassten Planung zur Umstellung auf
Funkanforderung erforderlich, in Festzeit zu schalten, um ein
Verkehrschaos zu vermeiden. Hier laufen Programme tagsüber, die
ansonsten nur in den Spitzenzeiten ­ mit erheblichem Vorteil für die
Seestraße und somit die Straßenbahn ­ geschaltet werden. Bei der
Inbetriebnahme war jedoch festgestellt worden, dass die Koordinierung
durch die Straßenbahnbeschleunigung völlig aus dem Takt lief. Die
Überarbeitung wurde nunmehr durch die BVG beauftragt.

Frage 11: Was wird der Senat unternehmen, damit die Vorrangschaltungen
für die Straßenbahnen künftig gewährleistet werden?

Antwort zu 11.: Das Programm zur Straßenbahnbeschleunigung ist
abgeschlossen. Der Senat achtet darauf, dass notwendige Anpassungen und
Beseitigung von Störungen laufend in Abstimmung mit der BVG vorgenommen
werden.

Berlin, den 19. Dezember 2007

In Vertretung Krautzberger …………………………..
Senatsverwaltung für Stadtentwicklung

Regionalverkehr: Brandenburg: Landesnahverkehrsplan unter Finanzierungsvorbehalt

http://www.bahnkunden.de/presse/20071231-1.php

Der zum 1. Januar 2008 in Kraft tretende Landesnahverkehrsplan (LNVP) wird nicht viel Neues bringen und bedeutet im Wesentlichen eine Fortschreibung des Politikstils der vergangenen Jahre. Auf jede Idee und jeden Vorschlag wird entweder das Argument „Wir haben kein Geld“ oder „Wir sind nicht zuständig“ hervorgeholt. Verkehrspolitik in Brandenburg, so steht auch weiterhin zu befürchten, wird kaum noch im Verkehrsministerium gemacht, sondern im Finanzministerium und bei der DB AG.

Bedauerlich ist bereits die Tatsache, dass zwar die breite öffentliche Beteiligung bei der Erarbeitung vom Ministerium ausdrücklich erbeten wurde, aber die zahlreichen Vorschläge und Anregungen überhaupt nicht berücksichtigt wurden. Wünschenswert wäre eine schriftliche Abwägung, wie es beispielsweise bei Planfeststellungsverfahren üblich ist. So war die Arbeit der vielen hauptamtlichen und insbesondere ehrenamtlichen Organisationen umsonst. Der „offene Dialog“, den das Ministerium gerne konstatiert, war eher ein Einsammeln und Abheften von Ideen und Anregungen von Dritten als denn ein eine kritische Auseinandersetzung.

Wozu überhaupt einen LNVP?

Die Aufstellung des LNVP zum 1. Januar 2008 ist im Brandenburger ÖPNV-Gesetz vorgeschrieben. Eine Pflichtaufgabe wurde erfüllt, mehr leider nicht. So findet sich, quasi bereits als Entschuldigung, in der Einleitung der Satz „Der LNVP 2008 – 2012 bewegt sich im gestalterischen Rahmen der zur Verfügung stehenden Mittel aus dem RegG und bestehender Verkehrsvertragswerke“. Der LNVP also nur eine verwaltungstechnische Abarbeitung gesetzlicher Vorgaben? Andere Bundesländer sind da weiter. Die Bereitstellung eines ausreichenden Bahn- und Busangebotes ist Bestandteil der gesetzlich garantierten Daseinsvorsorge. Wenn das Land Brandenburg nicht bereit ist, Bundesmittel durch Eigenmittel zu ergänzen, ist das eine politisch gewollte Festlegung – mehr nicht.

Das konkret genannte Ziel, „… die Mobilität der Bevölkerung nachhaltig, sozial und umweltgerecht zu sichern und die Standortqualität Brandenburgs als Wirtschaftsfaktor zu gewährleisten …“ erfüllt der LNVP kaum. Nachhaltigkeit bedeutet Verlässlichkeit und Planbarkeit. Anspruch auf eine soziale Komponente des skizzierten Angebotes und die Ausrichtung auf die Wirtschaft? Wie soll das alles funktionieren, wenn jedes Angebot automatisch unter ein prinzipielles Kuratel des Finanzministeriums gestellt wird, statt einer kritischen Bestandsaufnahme nur immer der Verweis aufs fehlende Geld und die eigene Unzuständigkeit zu hören ist?

Bevölkerungszahl im „Speckgürtel“ wächst, das Verkehrsangebot jedoch nicht

Die reagiert das Land Brandenburg auf die steigende Bevölkerungszahl im „Speckgürtel“ – also auf ein steigendes Verkehrsbedürfnis? Nach altbekanntem Muster: a) kein Geld und/oder b) nicht zuständig. Also keine S-Bahn nach Falkensee, nach Rangsdorf und nach Velten und auch die „Stammbahn“ wird weiterhin ein Traum bleiben.

Umsteigebahnhöfe am Berliner Außenring

Ein Vorschlag des DBV Berlin-Brandenburg war es, die Wiedererrichtung von Umsteigebahnhöfen am Berliner Außenring zu prüfen. Hierzu findet sich im LNVP keine Aussage. So fahren werktags im Stundentakt Züge von Potsdam nach Schönefeld und kreuzen dabei fünf Regional- und eine S-Bahn-Linie (Dresdner und Anhalter Bahn). Es gibt aber keinen Halt, also auch keine Umsteigemöglichkeit.

Eigenwirtschaftlicher Fernverkehr contra bestelltem Nahverkehr

Die Bestandsaufnahme im LNVP, ein Rückblick auf die Jahre seit 1994, ist in ihren wesentlichen Aussagen zwar zutreffend, jedoch werden die Ursachen zu wenig beleuchtet. Beispielsweise wird zwar als Notwendigkeit für eine Anpassung des Nahverkehrsnetzes die Rücknahme des Fernverkehrsangebotes bei mittleren Entfernungen genannt. Gibt es aber wirklich nur zwingend die Möglichkeit statt eigenwirtschaftlicher Fernverkehrszüge Nahverkehrszüge fahren zu lassen? Die Länder Niedersachen, Sachsen-Anhalt und Bayern zum Beispiel finanzieren solche „Ersatzzüge“ nur teilweise und nicht zu 100 Prozent! Aber, ja richtig, Brandenburg ist für den Fernverkehr nicht zuständig und hat kein Geld.

Einmal abbestellt, immer abbestellt?

Verkehrsbeziehungen ändern sich, neue Abreitsplatzstandorte entstehen, Ausflugs- und Tourismusregionen kommen hinzu. Hier sollte es eine regelmäßige Überprüfung von Abbestellungen geben (und zwar nicht nur die Untersuchung von Linienabschnitten, sondern auch die mögliche Wiedereinrichtung von Querverbindungen und Halten).

Keine grundsätzlichen Aussagen für die Zukunft, keine Visionen

Bis 2012 wird es also auf Grund der relativ kurzen Zeitraumes keine wesentlichen Änderungen geben. Aber danach? Fehlanzeige. Konkret werden im LNVP bei der vom Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg erarbeiteten Potenzialanalyse – also einer Gesamtbetrachtung jeder Strecke – Ansätze und Entwicklungsmöglichkeiten zur wirtschaftlichen Verbesserung aufgezeigt. Demnach ist es möglich, jede noch existierende Eisenbahnstrecke mit bestelltem Nahverkehr zu stärken. Wie bewertet das Verkehrsministerium diese Vorschläge? Welche sollen in welchem Zeitraum umgesetzt werden? Keine Aussage, Fehlanzeige halt.

Keine Zuständigkeit für die Infrastruktur?

Wie andere Bundesländer auch, beklagt die Landesregierung ständig, dass sie auf die Infrastruktur (Gleise, Bahnsteige) so wenig Einfluss habe. Das ist in der Tat ein grundsätzliches Problem, denn der DB-Konzern, in dessen Eigentum sich in Regel die Gleise und Stationsanlagen befinden, entscheidet nach anderen Gesichtspunkten als die Bundesländer. Wenn dies aber so ein grundsätzliches Problem ist, sollte es doch seitens der Landesregierung politische Aktivitäten geben, dies zu ändern. In einem kleinen Nebensatz am Ende des LNVP findet sich eine Andeutung dazu: „… Die Übertragung der Regionalverkehrsstrecken auf die Länder würde die Verantwortung für den regionalen Verkehr und die regionale Infrastruktur vereinigen und damit eine eigenverantwortliche Entwicklung des regionalen Schienenverkehrs durch die Länder ermöglichen.“ Warum geht das an dieser Stelle nicht konkreter? Warum nicht gemeinsam mit weiteren Bundesländern über die Bundespolitik eine entsprechende Initiative starten?

Die Richtung ist das Ziel?

Große Umbrüche wird es nach 2012 geben. Der „große Verkehrsvertrag“ mit DB Regio läuft dann aus und danach sollen sukzessive alle Verkehre im Wettbewerb ausgeschrieben werden. Das ist grundsätzlich begrüßenswert. Was passiert mit dem durch den Wettbewerb eingesparten Gelder (immerhin 10 % bis 30 %) Dann droht die nächste großflächige Abbestellung von Verkehrsleistungen: „… Da aufgrund … mangels volkswirtschaftlicher Vertretbarkeit die verkehrliche Bedienung nicht in jedem Fall ausschließlich durch den SPNV [Schienenpersonennahverkehr, Anm. d. Verf.] erfolgen kann, soll insbesondere nach 2012 die Möglichkeit eröffnet werden, dass landesbedeutsame SPNV-Netz im Einzelfall durch Linien anderer Verkehrsträger des ÖPNV zu ergänzen.“ Hinter dieser geschraubten Formulierung steht die Andeutung, dass Busse statt Züge fahren sollen.

Fazit

Der DBV Berlin-Brandenburg hätte sich einen richtigen Dialog gewünscht.

Der LNVP bleibt leider weit hinter den erforderlichen Notwendigkeiten zurück. Er betrachtet die Daseinsvorsorge ausschliesslich unter fiskalischen Gesichtspunkten und lässt viele Ansatzpunkte für eine nachhaltige und dauerhafte Gestaltung des Schienenangebotes außer acht.