allg.: Regionalisierungsmittel: Fauler Kompromiss zu Lasten des Nahverkehrs, aus LOK Report

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Der Bundesrat unterstützt durch die Zustimmung zum Haushaltsbegleitgesetz 2006 am 16.06.06 die Erhöhung der Umsatzsteuer zum 1. Januar 2007 um drei Prozentpunkte von 16 auf 19 %. Die Einnahmen aus zwei Prozentpunkten der Umsatzsteuererhöhung werden Bund, Ländern und Gemeinden zur nachhaltigen Stützung ihrer Haushalte dienen.
Die zu den Regionalisierungsmitteln gefundene Lösung ist ein guter Kompromiss, der die Interessen des Bundeshaushaltes, aber auch die der an einem guten ÖPNV arbeitenden Länder, berücksichtigt. Die Bundesregierung wird den Ländern die sich aus dem Gesetz ergebende Belastung von insgesamt 2,3 Mrd. € im Zeitraum 2006 bis 2009 in einer Größenordnung von 500 Mio. € vermindern. Zur Erreichung dieses Zieles wird sich die Bundesregierung bemühen, rechtzeitig eine gesetzliche Regelung mit folgenden Eckpunkten zu erreichen:
• Für 2006 und 2007 bleibt es bei der nach dem Haushaltsbegleitgesetz vorgesehenen Höhe der Regionalisierungsmittel.
• Für die Jahre 2008 bis 2010 wird den Ländern für die Absenkung der Regionalisierungsmittel eine Kompensation von insgesamt 500 Mio. € auf gesetzlicher Grundlage gegeben, die die Länder zur Aufrechterhaltung der Bestellung von schienengebundenen Nahverkehren einsetzen können (Pressemeldung Bundesministerium der Finanzen, 17.06.06).
RechteckBundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee begrüßte den mit den Ländern im Rahmen der Beratungen zum Haushaltsbegleitgesetz gefundenen Kompromiss zu den Einsparungen bei den Regionalisierungsmitteln. „Der Kompromiss mit den Ländern ist ein gutes Ergebnis und liegt dicht bei der Einsparvorgabe des Bundes. Die intensiven Gespräche mit den Ländern haben Früchte getragen. Die gefundene Lösung trägt den Interessen des Bundeshaushaltes genauso Rechnung wie sie die hohe Qualität im Nahverkehr sichern wird. Sie gibt Planungssicherheit bis ins nächste Jahrzehnt. Durch eine verbesserte Koordinierung und Steuerung sind Synergieeffekte möglich und die Länder können durch verstärkte Ausschreibungen beim Regionalverkehr eine zielgenaue und effiziente Mittelverwendung sicherstellen. Mit den zusätzlichen Mitteln aus der Mehrwertsteuererhöhung ergeben sich für die Länder zudem Spielräume für eigene Schwerpunktsetzungen“, sagte Tiefensee (Pressemeldung Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, 17.06.06).
RechteckNach Artikel 13 des Haushaltsbegleitgesetzes in unveränderter Fassung werden dem öffentlichen Nahverkehr bis 2010 insgesamt über 2,3 Milliarden Euro gestrichen. Die Kappung der Bundesgelder für Bahn und Bus ist jetzt gesetzlich in der ursprünglich geplanten Höhe festgelegt, und zwar auf
• 7053,1 Millionen Euro für das Jahr 2006,
• 6709,9 Millionen Euro für das Jahr 2007 und auf
• 6609,9 Millionen Euro für die Jahre ab 2008.
Der angekündigte Aufstand des Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz und SPD-Vorsitzenden Kurt Beck hat sich als Sturm im Wasserglas erwiesen. Die in der letzten Nacht angekündigte Nachbesserung bleibt vorerst eine Schimäre. Die Abschwächung der Streichungen in Höhe von 500 Millionen Euro zugunsten der Bundesländer wurde nicht gesetzlich fixiert. Lediglich die Absicht ist erklärt worden, eine Nachbesserung bei den Verhandlungen zur Neuordnung des Regionalisierungsgesetzes im Jahr 2007 vorzunehmen (Pressemeldung Die Linke, 17.06.06).
Rechteck“Das ist guter Tag für die Kunden des Nahverkehrs.“ Der Kompromiss zwischen Bund und Ländern stelle sicher, dass es auch künftig ein attraktives Nahverkehrsangebot in Deutschland gebe, erklärte der verkehrspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Uwe Beckmeyer, in Bremen. Der Beschluss über die künftige Höhe der Regionalisierungsmittel gebe Planungssicherheit für alle Beteiligten. Die Ländervertreter hätten eingesehen, dass sie ihre Zustimmung zu dem Gesetz nicht verweigern können, sagte Beckmeyer. „Schließlich ist die Neuregelung der Regionalisierungsmittel im Koalitionsvertrag vereinbart worden.“ Dem hätten auch die Regierungschefs der Länder zugestimmt. Den Ländern stünde ein Teil der Mehreinnahmen bei der Mehrwertsteuer zu. Es liege in der Hand der Landesregierungen, diese Mittel auch für den Erhalt und Ausbau der Nahverkehrsangebote einzusetzen, sagte Beckmeyer. Der öffentliche Nahverkehr sei nicht allein Sache des Bundes (Pressemeldung SPD, 17.06.06).
RechteckDie Allianz pro Schiene kritisiert die Zustimmung der Bundesländer am heutigen Freitag zu dem umstrittenen Haushaltsbegleitgesetz. „Die Zustimmung bedeutet, die Länder opfern einen Teil der zweckgebundenen Nahverkehrszuschüsse des Bundes für frei verfügbare Mehrwertsteuereinnahmen“, so die Reaktion von Dirk Flege, Geschäftsführer der Allianz pro Schiene. „Wir befürchten, dass die zusätzlichen Gelder aus der Mehrwertsteuer nicht für den Nahverkehr eingesetzt werden, sondern zur Stopfung von Haushaltslöchern. Dann wäre dies ein schwarzer Tag für den Öffentlichen Nahverkehr. Die Länder müssen nun die fehlenden zweckgebunden Gelder aus den Regionalisierungsmitteln mit den zusätzlichen Mehrwertsteuermitteln ausgleichen, um einen attraktiven Nahverkehr zu erhalten“, so Dirk Flege. (Pressemeldung Allianz pro Schiene, 17.06.06).
RechteckNach Ansicht von DBV-Präsident Gerhard J. Curth muss die Reduzierung der Finanzmittel, die die Länder für die Bestellung von Bahnangeboten vom Bund überwiesen bekommen, nicht zwangsläufig zu drastischen Verschlechterungen führen. Neue Ideen sind gefragt! Zum Beispiel fahren Züge im ländlichen Raum in der Tagesmitte häufig fast leer; hier könnte stärker auf den tatsächlichen Bedarf orientiert werden. Auch sollten die Länder verstärkt darauf hinwirken, dass Parallelverkehre zwischen Bahn und Bus zu Gunsten der Bahn aufgegeben werden. Bei den Verwaltungskosten der SPNV-Aufgabenträger sieht der DBV ebenfalls erhebliche Einsparpotentiale, die nicht zu Lasten des Fahrgastes gehen. So hat der Freistaat Bayern mit etwa 12 Millionen Einwohnern nur einen Aufgabenträger, der überregional Züge bei den Verkehrsunternehmen bestellt. In Sachsen hingegen gibt es fünf Aufgabenträger bei vier Millionen Einwohnern. Durch die Zweckentfremdung der Regionalisierungsmittel in vielen Bundesländern, die die ihnen im Rahmen des Gesetzes zur Verfügung gestellten Finanzmittel für andere, SPNV-fremde Aufgaben einsetzen, ist erheblicher Schaden entstanden. Nach Ansicht des DBV dürfen die Länder ihre Finanzmisere nicht durch eine Zweckentfremdung der SPNV-Mittel eindämmen (Pressemeldung Deutscher Bahnkunden-Verband, 17.06.06).
RechteckDer Fahrgastverband PRO BAHN e.V. M-V kritisiert die im Bundesrat am 16.06.2006 beschlossene Kürzung der Regionalisierungsmittel. Für Mecklenburg-Vorpommern bedeutet dies allein für 2006 und 2007 eine Kürzung von rund 22Mio.EUR. Dieser Betrag wird auch in etwa jährlich vom Land zweckentfremdet aus diesen Mitteln für die Finanzierung der Schülerbeförderung mit dem Bus verwendet. „Da diese Entscheidung gleichzeitig auch ein Kompromis der Länder ist, die Mehrwertsteuer auf 19% ab 2007 zu erhöhen, sollte die Landesregierung in Schwerin die bisher zweckentfremdeten Regionalisierungsmittel mit einem Teil der höher ausfallenden Mehrwertsteuererlöse ausgleichen.“ fordert PRO-BAHN-Sprecher Marcel Drews. „Damit ließen sich Einschnitte wie z.B. Taktausdünnungen oder gar Angebotseinstellungen bzw. Streckenstillegungen wie z.B. zwischen Neustrelitz und Parchim, Neustrelitz und Mirow oder Bergen auf Rügen und Lauterbach Mole sowie insgesamt eine weitere Abkopplung des Landes vom Bahnverkehr verhindern.“ (Pressemeldung Pro Bahn, 17.06.06).
RechteckDer Verkehrsclub Deutschland e.V. (VCD) kritisiert die Verabschiedung des Haushaltsbegleitgesetzes im Bundesrat scharf. Damit hätten die Länder entgegen aller bisherigen Verlautbarungen einer Kürzung der Bundesmittel für den Nahverkehr in Milliardenhöhe zugestimmt. Zuletzt hatte noch die Verkehrs-ministerkonferenz der Länder Mitte Mai festgestellt, dass die Kürzungen zwangsläufig zu Lasten der Qualität im öffentlichen Nahverkehr gehen würden, und die Pläne daher abgelehnt. „Jetzt haben die Ministerpräsidenten gegen ihre Verkehrsminister entschieden. Sie sind somit verantwortlich, wenn künftig jeder fünfte Nahverkehrszug in Deutschland gestrichen wird und die Preise für Bus und Bahn spürbar steigen. Daran ändert auch die jetzt vereinbarte Kompensation für einen Teil der Kürzungen nur wenig“, erklärt Michael Gehrmann, VCD-Bundesvorsitzender. Nach der Entscheidung stehen aus Sicht des VCD nun die Länder in der Pflicht, die Mittelkürzungen aufzufangen und ein gutes Angebot von Bus und Bahn weiterhin zu gewährleisten. Dafür biete sich die Mehrwertsteuer an, deren dreiprozentige Erhöhung von 2007 an das Haushaltsbegleitgesetz neben den Kürzungen der Regionalisierungsmittel ebenfalls festlege. Um dem bundesweiten Protest gegen die Kürzung der Bundesmittel für den Schienenpersonennahverkehr Nachdruck zu verleihen, wird der VCD am 19.06.06 rund 17.000 Unterschriften an Bundesfinanzminister Peer Steinbrück übergeben. Das Protestmotto: »Der Nahverkehr gehört nicht aufs Abstellgleis! Keine Kürzungen bei Bus und Bahn!« (Pressemeldung VCD, 17.06.06).
RechteckDie in der Sitzung des Bundesrates von Bundesfinanzminister Steinbrück angekündigte Initiative zur Teilrücknahme von Kürzungen bei den Regionalisierungsmitteln stellt einen wichtigen Verhandlungserfolg der Länder dar. Zu begrüßen sei die Zusage Steinbrücks, die vorgesehene Kürzung der Regionalisierungsmittel für die Jahre 2008 und 2009 um insgesamt 500 Millionen Euro reduzieren zu wollen und sie ab 2009 zu dynamisieren, erklärte der baden-württembergische Ministerpräsident am Rande der Bundesratssitzung in Berlin (Pressemeldung Innenministeriium Baden-Württemberg, 17.06.06).
Rechteck“Die Kürzung der Regionalisierungsmittel wird auch an Bayern nicht spurlos vorüber gehen. Es wird unumgänglich sein, Prioritäten zu setzen. Unser oberstes Ziel wird aber sein, den Umfang unseres heutigen Liniennetzes und Angebotsumfanges beizubehalten“, erklärte Bayerns Verkehrsminister Erwin Huber zu den beschlossenen Kürzungen der Regionalisierungsmittel. Bayern werde von den Kürzungen in den nächsten Jahren durchschnittlich mit rund 67 Mio. Euro/Jahr betroffen sein. Huber: „Wir werden dies einerseits kompensieren, indem wir zunächst die Förderung der Beschaffung neuer Omnibusse in Bayern aussetzen. Hierfür hat der Freistaat bislang rund 50 Mio. Euro/Jahr zur Verfügung gestellt.“ In den letzten 5 Jahren wurde die Anschaffung von 2646 neuen Bussen vom Freistaat bezuschusst. Mit diesem Fahrzeugpark seien die Unternehmen somit auch weiterhin in der Lage, ihre Verkehrsleistungen flächendeckend zu erbringen, erklärte Huber. Eine weitere Einsparmöglichkeit sehe der Minister darin, vermehrt Nahverkehrsleistungen auszuschreiben. Der Freistaat Bayern werde während der Laufzeit des aktuellen Verkehrsdurchführungsvertrages mit der DB Regio AG über 30 Millionen Zugkilometer ausschreiben (Pressemeldung Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie, 17.06.06).
RechteckDurch die Zustimmung zum Haushaltsbegleitgesetz stehen Brandenburg von 2007 bis 2010 jährlich ca. 30 Millionen Euro weniger Mittel für den ÖPNV zur Verfügung. Die Entscheidung war Teil eines grundsätzlich notwendigen Kompromisses zwischen Bund und Ländern. Frank Szymanski: „Ich begrüße, dass wir mit den durch die Bundesregierung zugesagten Kompensationsmaßnahmen Planungssicherheit bis 2010 haben. Den Rückgang der Regionalisierungsmittel können wir jedoch nicht aus eigener Kraft kompensieren. Ich erwarte besonders für 2007 zumindest eine Teilkompensation aus dem Landeshaushalt. Der Bund muss uns auch durch begleitende Regelungen hinsichtlich der Vertragsverhältnisse mit der DB AG unterstützen.“ (Pressemeldung Ministerium für Infrastruktur und Raumordnung Brandenburg, 17.06.06).
RechteckIn der Debatte um das Haushaltsbegleitgesetz im Bundesrat hat Niedersachsens Wirtschaftsminister Walter Hirche der Bundesregierung einen „falschen Kurs“ vorgeworfen. Die Bundesregierung versuche nicht, die öffentlichen Haushalte durch Sparanstrengungen zu konsolidieren. Sie setze fast ausschließlich auf Steuererhöhungen, so der Minister, der für die Niedersächsische Landesregierung im Bundesrat Stellung nahm. Wer vor dem Hintergrund einer instabilen Konjunktur die Mehrwertsteuer erhöhe, handle fahrlässig, sagte Hirche. Bei der Abstimmung im Bundesrat enthielt sich Niedersachsen der Stimme. (Pressemeldung Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, 17.06.06).
RechteckDer nordrhein-westfälische Verkehrsminister Oliver Wittke sieht nach der Entscheidung des Bundesrats vom Freitag (16. Juni 2006) zu den Kürzungen bei den Regionalisierungsmitteln „schwierige Zeiten“ auf den schienengebundenen Nahverkehr zukommen: „Die von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück vorgesehenen Mittelkürzungen werden wohl ohne Einschränkungen im Nahverkehrsangebot oder Fahrpreiserhöhungen nicht aufzufangen sein. Die angebotene Kompensation ist – sofern sie für Regionalisierungszwecke eingesetzt wird – immerhin ein Teilerfolg, für den es sich zu kämpfen gelohnt hat.“ Wittke kündigte umgehend Gespräche an mit dem Ziel, den Personennahverkehr „deutlich effizienter zu gestalten und Strukturveränderungen zu erreichen.“ Ein Teil der Kürzungen könne durch mehr Flexibilität und mehr Freiheit ausgeglichen werden. (Pressemeldung Ministerium für Bauen und Verkehr, 17.06.06).
RechteckTransnet hat den Kompromiss zur Kürzung der Regionalisierungsmittel für den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) scharf kritisiert. „Die vorgesehenen Kürzungen von rund 1,8 Milliarden Euro sind dramatisch“, warnte das zuständige Vorstandsmitglied Karl-Heinz Zimmermann. Zimmermann kritisierte insbesondere, dass eine inhaltliche Diskussion um die Zukunft des ÖPNV ausgeblieben sei. „Die Haushälterperspektive ist diesem Thema nicht angemessen.“ Es müsse grundsätzlich geklärt werden, welchen Verkehr man in Deutschland wolle „und was er uns wert ist.“ (Pressemeldung Transnet, 17.06.06).

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